Akteneinsicht

Akteneinsicht: Verschaffen Sie sich den Kenntnisstand der Ermittlungsbehörde und lassen Sie sich beraten und vertreten. 


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Wer kann Akteneinsicht nehmen

Grundsätzlich haben Sie als nicht anwaltlich vertretener Beschuldigter, Betroffener, Beteiligter oder Prozesspartei ein Recht auf Akteneinsicht in Akten an ihrem derzeitigen Aufbewahrungsort, auf Erteilung von Auskünften und Abschriften.

Im Strafverfahren wird die Akteneinsicht an den nicht anwaltlich vertretenen Beschuldigten / Angeklagten jedoch meist durch die Gerichte und Staatsanwaltschaften erst nach Überwindung von Widerständen erteilt. Da die Abschriften des Akteninhalts nicht von Ihnen erstellt werden, teilweise Aktenteile aus der Akte und im Einband Ihnen bewusst oder unbewusst vorenthalten werden, haben Sie keine Kontrolle darüber, ob Sie vollständig Akteneinsicht hatten. Die Einsicht von Akten durch Mitnahme in eigene Geschäftsräume oder in die eigene Wohnung und die eigene Anfertigung von Ablichtungen und Abschriften aus den Akten ist im Strafprozess dem Verteidiger vorenthalten. Außerdem erkennt der Strafverteidiger eher unvollständige und manipulierte Akten als der Laie.

Nur nach Akteneinsicht kann der Beschuldigte sich konkret gegen den Vorwurf verteidigen, Anträge (Beweisanträge) stellen und eine Einlassung erwägen.

Das Recht auf Akteneinsicht ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1, 3 EMRK = Europäische Menschenrechtskonvention) und aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeine Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass das Recht auf Akteneinsicht - wie im deutschen Strafprozessrecht - im Allgemeinen nicht auf Verteidiger beschränkt werden darf. Zumindest müssen die Akten jedem Angeklagten spätestens vor der Hauptverhandlung zugänglich sein (Urteil des EGMR Nr. 46221/99 vom 13.03.2003).

Die Akteneinsicht kann aus Gründen der Sicherheit der Geschädigten, der Opfer, der V-Leute, der verdeckten Ermittler, der Bundesrepublik Deutschland, wegen des Datenschutzes anderer Beteiligter im Hauptverfahren und insbesondere aus ermittlungstaktischem Interesse der Ermittlungsbehörden verweigert oder eingeschränkt werden (§ 147 StPO), so dass die Verteidigung gegen die erhobenen Vorwürfe weitgehend und nachhaltig bis an die Grenze des rechtsstaatlichen Verfahrens und nach diesseitiger Auffassung in Einzelfällen über diese Grenze hinaus ver- bzw. behindert wird. Die Weitergabe der Originalakten an den Beschuldigten ist unzulässig; zulässig ist natürlich die Akte in Kopie oder als Pdf-Datei zur Verfügung zu stellen.

Das Recht auf Akteneinsicht ergibt sich in nicht abschließender Aufzählung:

  • für Beschuldigte gemäß § 147 Strafprozessordnung (StPO)
  • für Betroffene gemäß § 49 OWiG
  • für Verletzte gemäß § 406 e StPO entweder als Verletzter (Nebenkläger) oder bei Darlegung des berechtigten Interesses (ohne Glaubhaftmachung)
  • für Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens eines Verwaltungsverfahrens bei Bundesbehörden aus § 29 VwVfG bzw. § 8 EGovG bei elektronischer Aktenführung und bei Landesbehörden aus dem Verwaltungsverfahrensrecht des jeweiligen Landes
  • für Verletzte und Geschädigte bei Darlegung eines berechtigten Interesses z.B zur Geltendmachung von Schadenersatz und Schmerzensgeld oder Klageerhebung gemäß § 475 StPO
  • für wissenschaftliche Zwecke gemäß § 476 StPO
  • für Bundesbehörden gemäß § 29 VwVfG und bei Landesbehörden aus dem Verwaltungsverfahrensrecht des jeweiligen Landes
  • für die Parteien eines Zivilprozesses gemäß § 299 ZPO
  • für Beteiligte eines Verwaltungsprozesses gemäß § 100 VwGO
  • für Beteiligte im Sozialverwaltungsverfahren gemäß § 25 SGB X
  • für Beteiligte eines Sozialgerichtsprozesses aus § 120 SGG
  • für Beteiligte und Nichtbeteiligte in Verfahren in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus § 13 FamFG
  • für Strafgefangene aus § 185 StVollzG Siehe dazu BVerfG-Entscheidung 2 BvR 406/02)
  • in Steuerverfahren und Steuerstrafverfahren wird die Akteneinsicht meist verweigert, obwohl Sie im Ermessen der Behörde steht, welches aufgrund der Rechtsprechung des europäischen Gerichtspunkt auf die Gewährung der Akteneinsicht reduziert ist. Dennoch richten sich die Behörden danach nicht.

Nach der Entscheidung des Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 18. März 1997, Foucher gegen Frankreich, (Reports 1997-II = NStZ 1998, 426)  und ebenso nach der Entscheidung vom 13. März 2003, Abdullah Öcalan gegen die Türkei verletzt die Verweigerung der Akteneinsicht eines nicht durch einen Verteidiger vertretenen Angeklagten Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 EMRK. Die Entscheidungen des EGMR sind jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Anwendung und Auslegung des deutschen Rechtes zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2004, 3407).

Gemäß  § 406 e StPO kann der Rechtsanwalt eines Verletzten die Akten einsehen. Schließlich können nach § 475 StPO auch andere Privatpersonen über einen Rechtsanwalt Akteneinsicht nehmen, wenn Sie ein berechtigtes Interesse darlegen können.

Justizbehörden (z. B. Gerichte, Staatsanwaltschaften; § 474 Abs. 1 StPO), Geheimdienste (§ 474 Abs. 2 StPO), Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesverfassungsschutz, die Finanzbehörde (§ 395 AO) können, ohne Beteiligte zu sein, Akteneinsicht erhalten

Als Patient haben Sie das Recht auf Einsicht in die eigenen Krankenunterlagen aufgrund verschiedener Spezialgesetze, wenn sich dies nicht schon aus dem Behandlungsvertrag ergibt. Im Schadensfalle ist zu empfehlen, mittels einer einstweiligen Verfügung einen Gerichtsbeschluss auf Herausgabe der originalen Patientenakte an den Gerichtsvollzieher oder eine neutrale Person als Sequester zur Verwahrung zu erwirken und durch den Gerichtsvollzieher durch unmittelbare Herausgabe ohne noch angebliche zu vervollständigende Eintragungen durch die Verantwortlichen vollstrecken zu lassen, um ein „Frisieren“ der Akte zu verhindern. Im Zweifel sollte daher der Gerichtsvollzieher begleitet werden.