Elterliche Sorge / Umgang / Umgangsrecht
- Das Sorgerecht
- Die Personensorge
- Die Vermögenssorge
- Die gesetzliche Vertretung
- Das tatsächliche Sorgerecht
- Die gemeinsame elterliche Sorge
- Ausnahmen bei nichtehelichen Kindern
- Die Alltagssorge
- Das Entscheidungsrecht in Notfällen
Das Sorgerecht
Das Sorgerecht oder auch die elterliche Sorge regelt das Recht und die Pflicht der Eltern, für das persönliche Wohl Ihres Kindes und für sein Vermögen zu sorgen und es gesetzlich zu vertreten. Die elterliche Sorge beinhaltet insbesondere, wer über den Aufenthaltsort des Kindes und alle das Kind betreffenden Angelegenheiten bestimmen darf. Grundsätzlich bleibt es bei der Trennung oder Scheidung der Ehegatten bei der gemeinsamen elterlichen Sorge (siehe Umgangsrecht). Von den Eltern wird erwartet, dass sie sich über die Kindesbelange einigen. Wenn Streit zwischen den Eltern über das Sorgerecht besteht, entscheidet das Familiengericht unter dem Gesichtspunkt, was dem Kindeswohl am besten entspricht.
§ 1626 Absatz 1 Satz 1 BGB definiert die "elterliche Sorge" folgendermaßen: "Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge)". Die Unterhaltspflicht besteht unabhängig davon, ob ein Elternteil oder beide Eltern die elterliche Sorge innehaben oder nicht.
Bei der elterlichen Sorge stehen die Pflichten zum Kindeswohl und nicht etwa die Rechte der Eltern im Vordergrund.
Wie oben dargestellt, unterteilt sich die elterliche Sorge in 3 Teilbereiche:
- Personensorge (siehe 1.),
- Vermögenssorge (siehe 2.) und
- gesetzliche Vertretung (siehe 3.).
1. Die Personensorge
Die Personensorge beinhaltet in nicht abschließender Aufzählung sämtliche Angelegenheiten, die die Person eines Kindes betreffen:
- Pflege (§ 1631 Absatz 1 BGB),
- Erziehung (§ 1631 Absatz 1 BGB),
- Beaufsichtigung (§ 1631 Absatz 1 BGB),
- Aufenthaltsbestimmung (§ 1631 Absatz 1 BGB),
- Ausbildungs- und Berufswahl (§ 1631a BGB),
- mit Freiheitsentzug verbundene Unterbringungen (§ 1631b BGB), 1)
- Herausgabeanspruch gegenüber Dritten (§ 1632 Absatz 1 BGB),
- Bestimmung des Umgangs mit anderen Personen (§ 1631 Absatz 2 BGB).
- Einwilligung in ärztliche Behandlungen und Operationen,
- Vergabe des Vornamens,
- Wahl / Nichtwahl der Religion,
- Förderung von musischen, sportlichen und künstlerischen Fähigkeiten und Neigungen etc.,
- Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Kindes jeder Art, z.B. Schadensersatz- und Unterhaltsansprüche
2. Vermögenssorge
Die elterliche Sorge beinhaltet die Vermögensverwaltung, d.h. die Pflicht zur Erhaltung, Vermehrung und Verwertung des Kindesvermögens (Grundbesitz, Wertpapiere, Geschäftsanteile, größere Geldbeträge). Die Vermögenssorge gewinnt nur dann Bedeutung, wenn das minderjährige Kind durch Schenkung oder Erbschaft oder anderer Vorgänge eigenes Vermögen erwirbt. Die Vermögenssorge unterliegt folgenden gesetzlichen Beschränkungen:
- bestimmte Rechtsgeschäfte (Grundstücks-, Kreditgeschäften und Verträge, die dem Minderjährigen nicht nur Vorteil, sondern auch erhebliche Verpflichtungen und Lasten überbürden, bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643 Absatz 1, 1821, 1822, 1825, 1828 -1831 BGB).
- Der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen gemäß § 1643 Absatz 2 BGB die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder der Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch.
- Schenkungen und Erbschaften haben die Eltern grundsätzlich nach den Anordnungen der Schenker bzw. Erblasser zu verwalten (§ 1639 BGB). Bei Zuwendungen von über 15.000,- Euro ist ein Vermögensverzeichnis anzulegen (§ 1640 BGB). Die Eltern können von Schenkern und Erblassern auch von der Vermögensverwaltung ausgeschlossen werden (§ 1638 BGB). In diesem Fall bestellt das Vormundschaftsgericht ein Vermögenspfleger (Vermögensverwalter) (§ 1909 Absatz 1 Satz 2 BGB).
- Schenkungen der Eltern zu Lasten des Kindes sind gemäß §§ 1641 BGB, 134 BGB nichtig.
- Geld, das der Vermögensverwaltung der Eltern unterliegt, ist nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu halten ist (vgl. § 1642 BGB). Die Verpflichtung zur mündelsicheren Anlegung (vgl. § 1807 BGB) ist seit 1980 entfallen; hieran sind nur noch Vormünder oder Pfleger gebunden.
- Bei Gefährdung des Kindesvermögens kann das Familiengericht Maßnahmen zur Sicherung des Vermögens anordnen (§ 1667 Absätze 1-3 BGB), die auch die teilweise oder vollständige Entziehung der Vermögensverwaltung beinhalten können (§ 1667 Absatz 3 S. 4 BGB). Dies gilt auch bei Unterhaltspflichtverletzungen der Eltern. (§ 1666 Absatz 2 BGB).
3. Gesetzliche Vertretung
Die gesetzliche Vertretung des Kindes umfasst jedes Handeln im Rahmen der elterlichen Sorge mit allen daraus erwachsenden Rechten und Pflichten für das Kind (Einwilligung in ärztliche Behandlung, Operation, Zustimmung zur Adoption, Anträge bei Behörden oder Schulan- bzw. -abmeldung). In der Regel haben diese Funktion beide Eltern inne ( § 1629 BGB).
Grundsätzlich haften bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder durch die gesetzlichen Vertreter die Vertretenen, also die Kinder, wie bei der allgemeinen rechtgeschäftlichen Vertretung nach § 164 ff. BGB und nicht die Vertreter bzw. die Eltern. Diese Haftung der Kinder wird seit 1999 durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz auf das bei Eintritt ihrer Volljährigkeit vorhandenen Vermögen beschränkt ( § 1629 a BGB).
Die Haftung der Eltern für im Rahmen der gesetzlichen Vertretung der Kinder verursachte Schadenersatzansprüche ist auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beschränkt (§§ 1664, 277 BGB). Die gesetzliche Vertretung kann bei Gefährdung des Kindeswohls durch das Familiengericht gemäß § 1666 BGB entzogen werden und ein Pfleger nach § 1909 BGB für das Kind bestellt werden.
Wie bei der rechtgeschäftlichen Vertretung muss der Vertretungswille der Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder handeln zu wollen, nach außen treten bzw. deutlich werden. Andernfalls treffen den gesetzlichen Vertreter Rechtswirkungen seiner Handlungen selbst.
Die gesetzliche Vertretung endet mit dem Tod des gesetzlichen Vertreters, der Volljährigkeit des Kindes (Vertretenen) oder durch Adoption.
4. Tatsächliches Sorgerecht
Minderjährige Eltern sind gemäß § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig. Gemäß § 1673 Absatz 2 BGB sind sie daher von der Vermögenssorge vollständig und von der Personensorge, soweit diese Rechtshandlungen betreffen, mangels wirksamer Vertretung ausgeschlossen. Die elterliche Sorge ist in diesen Fällen, in denen die Eltern ihre Kinder nicht wirksam vertreten können, auf das so genannte "tatsächliche Sorgerecht" beschränkt.
Dass "tatsächlichen Sorgerecht" z.B. einer minderjährigen Mutter beinhaltet folgende Befugnisse:
- Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung,
- Vornamensgebung,
- Aufenthaltsbestimmung,
- Festlegung der Religion,
- Regelung des Umgangs mit anderen Personen,
- Einwilligung in ärztliche Behandlungen, Operationen,
- Zustimmung zur Adoption.
Die minderjährige Mutter kann notwendige Rechtshandlungen aufgrund ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit nicht vornehmen. Dennoch kann der volljährige oder unbeschränkt sorgeberechtigte Elternteil oder ein vom Gericht bestellter Vormund ohne Einigung mit dem beschränkt sorgeberechtigten Elternteil nicht allein tätig werden. Eine entsprechende Handlung ohne Einverständnis wäre unwirksam. "Bei einer Meinungsverschiedenheit geht die Meinung des minderjährigen Elternteils vor, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes ein Vormund oder Pfleger ist; andernfalls gelten § 1627 Satz 2 und § 1628 BGB (§ 1673 Abs. 2 Satz 2 BGB). Wird keine Einigung erzielt muss das Familiengericht entscheiden. Wenn kein anderer sorgeberechtigter Elternteil, sondern ein Vormund (z.B. das Jugendamt) vorhanden ist, könnte sich die minderjährige Mutter sogar zunächst stets durchsetzen (vgl. § 1673 Absatz 2 Satz 3 BGB). Der Vormund kann sich jedoch an das Familiengericht wenden, wenn er das Kindeswohl gefährdet sieht.
5. Gemeinsame elterliche Sorge
Gemäß § 1627 BGB haben die Eltern die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Nach Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz (GG) sind "Pflege und Erziehung der Kinder (sind) das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."
„Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“ (Art. 6 Abs. 3 GG) Einschränkende Regelungen stellen u.a. die Schulpflicht, die Jugendschutzgesetze und das Strafrecht dar. Das Sorgerecht der Eltern hat also Vorrang vor staatlichen Eingriffen. Dies ist insbesondere bei Erfüllung der Schulpflicht durch Schulunterricht zu Hause in der Familie jedoch bisher zu Lasten der betroffenen Eltern entschieden worden, obwohl Kinder, die Zuhause unterrichtet wurden, nachweislich entweder gleich oder besser ausgebildet worden waren.
Die Pflege und Erziehung haben sich am Wohl ihrer Kinder zu orientieren. Insbesondere das Jugendamt und Familiengericht sind berechtigt und verpflichtet, über die Ausübung der elterlichen Sorge und Pflege zu wachen und erforderlichenfalls die Pflege und Erziehung der Kinder sicherzustellen ("staatliches Wächteramt").
6. Ausnahmen bei nichtehelichen Kindern
Die Pflicht die elterliche Sorge "in gegenseitigem Einvernehmen" auszuüben und bei Meinungsverschiedenheiten sich zu einigen, gilt nicht für nichteheliche Kinder. Durch spätere Heirat oder eine so genannten unbedingte (!) Sorgerechtserklärung nach §§ 1626 b bis 1626 e BGB vor einem Notar oder einem Jugendamt kann die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübt werden. Andernfalls übt die Mutter die elterliche Sorge allein aus.
Folglich sind die Väter nichtehelicher Kinder darauf angewiesen, dass die Mütter bereit sind, eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abzugeben. Ohne eine solche Erklärung dürfen Väter nichtehelicher Kinder keine Entscheidungen für das Kind treffen oder mittragen, selbst für den Fall, dass die gemeinsame Sorge für die Kinder nachweisbar besser wäre.
Die gemeinsame elterliche Sorge bleibt auch in folgenden Fällen bestehen:
- Getrenntleben der Eltern,
- Scheidung der Eltern (diese Rechtslage besteht aber erst seit 1.7.1998),
- Kind lebt bei Verwandten, Bekannten, Pflege-Eltern,
- Kind lebt im Heim.
In diesen Fällen üben die Personen, in deren Obhut sich das Kind befindet, die sogenannte "Alltagssorge" alleine aus.
7. Alltagssorge
Die Alltagssorge umfasst alle Angelegenheiten des täglichen Lebens, d.h. die Entscheidungen die täglich und häufig vorkommen und keine irreversiblen oder schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (§ 1687 Abs. 1 BGB). Beispielhaft sind dies die Freizeitgestaltung, Kontakte zu Dritten (Freunde, Bekannte, Verwandte), Verfügungen über gemessen an den Lebensumständen kleinere bis mittlere Beträge, medizinische Behandlungen mit Ausnahme von Operationen und Zahnregulierungen usw..
Der allein betreuende Elternteil hat dann die alleinige Sorgebefugnis einschließlich der gesetzlichen Vertretung.
Der die „Alltagssorge" ausübende Elternteil hat alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet (§ 1687 Absatz 1 Satz 5, 1684 Abs. 2 BGB). Bei Verstößen hiergegen kann das Familiengericht diese Befugnis auf Antrag eines Elternteils oder das Jugendamt diese Befugnis von Amts wegen einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Kindeswohl erforderlich ist (§ 1687 Absatz 2 BGB).
8. Entscheidungsrecht in Notfällen
Bei Gefahr im Verzug (z.B. bei Unfällen, Blinddarmdurchbruch o.ä.) ist der betreuende Elternteil gemäß § 1629 Absatz 1 Satz 4, 1687 b Abs. 2 BGB ausdrücklich berechtigt, alle Rechtshandlungen allein vorzunehmen, die zum Kindeswohl notwendig sind. Der andere Elternteil ist davon unverzüglich zu unterrichten.