Recht auf Übersetzer / Übersetzen / Übersetzung: Recht auf vollständige mündliche bei Verhandlungen und schriftliche Übersetzung der wesentlichen Dokumente der Verfahrensakte
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1. Recht auf vollständige mündliche Übersetzung bei Verhandlungen und schriftlichen Übersetzung der wesentlichen Dokumente der Verfahrenskakte
2. Richtlinie 2010/64/EU: Recht auch Übersetzung
3. Richtlinie 2012/13/EU: Recht auf Übersetzung ab Eröffnung des strafrechtlichen Vorwurfs oder Ermittlungsmaßnahmen
4. Der Begriff der wesentlichen Dokumnete des Verfahrens
5. Begriff der "Anklage" gemäß Richtlinie 2010/64/EU
1. Recht auf vollständige mündliche Übersetzung bei Verhandlungen und schriftlichen Übersetzung der wesentlichen Dokumente der Verfahrenskakte
Gemäß § 187 Abs. 1 GVG zieht das Gericht für den Beschuldigten, den Verurteilten und den Nebenkläger gemäß § 187 Abs. 4 GVG,
„der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.“
Die gilt entsprechend für mündliche bei Verhandlungen und schriftliche Übersetzungen der freiheitsentziehenden Anordnungen, der Anklageschrift, des Strafbefehls und nicht rechtskräftiger Urteile.
„Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.“ (§ 187 Abs. 2 GVG)
Ein Verzicht auf die schriftliche Übersetzung ist nur nach ausdrücklicher Belehrung und unter Dokumentation sowohl der Belehrung als auch des Verzichts möglich, wird jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit im Strafprozess fast immer vermieden, so dass dem Beschuldigten auch gegen dessen Willen Übersetzungen zur Verfügung gestellt werden.
„Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.“ (§ 187 Abs. 3 GVG)
Gleichzeitig verlangt das EU-Recht grundsätzlich eine europarechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts. Dies verpflichtet die Länder der Europäischen Union, innerstaatliche Vorschriften, die den Bestimmungen der Richtlinie 2010/64/EU entgegenstehen, so auszulegen, dass diese den in dieser Richtlinie enthaltenen Verpflichtungen entsprechen.
Soweit die Auslegung der innerstaatlichen Gesetze nicht entsprechend der Verpflichtungen der Richtlinie 2010/64/EU erfolgen kann, ist die Regelung der Richtlinie 2010/64/EU unmittelbar anzuwenden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die interne Umsetzungsfrist der Richtlinie ist bereits abgelaufen
- Die betreffende Regelung begründet Rechte;
- Ihr Inhalt ist hinreichend klar, präzise und bedingungslos, sodass weder durch die Mitgliedstaaten noch durch die Organe der Union ein Umsetzungsakt erforderlich ist.
Zwischenzeitlich ist die Umsetzungsfrist in allen Ländern der Europäischen Union abgelaufen, so dass entweder durch Auslegung der innerstaatlichen Gesetze oder durch die Bestimmungen der Richtlinie 2010/64/EU das Recht auf mündliche Übersetzung in mündlichen Anhörungen und Hauptverhandlungen im Verfahren und schriftliche Übersetzungen der wesentlichen Dokumente der Verfahrensakte unmittelbare Anwendung finden.
2. Richtlinie 2010/64/EU: Recht auch Übersetzung
In Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2010/64/EU heißt es:
„Das Recht von Personen, die die Verfahrenssprache des Gerichts nicht sprechen oder nicht verstehen, auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen ergibt sich aus Artikel 6 EMRK in dessen Auslegung in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Diese Richtlinie erleichtert die praktische Anwendung dieses Rechts. Zu diesem Zweck zielt diese Richtlinie darauf ab, das Recht von verdächtigen oder beschuldigten Personen auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren im Hinblick auf die Wahrung des Rechts dieser Personen auf ein faires Verfahren zu gewährleisten".
Insbesondere regelt Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2010/64/EU, dass Verdächtige oder Beschuldigte, die die Verfahrenssprache nicht verstehen, «eine schriftliche Übersetzung aller Unterlagen erhalten, die wesentlich sind, um zu gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, und um ein faires Verfahren zu gewährleisten».
3. Richtlinie 2012/13/EU: Recht auf Übersetzung ab Eröffnung des strafrechtlichen Vorwurfs oder Ermittlungsmaßnahmen
Dieser Artikel 3 gilt in Verbindung mit Artikel 7 der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012, welche das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren regelt und gleichfalls nach Ablauf der Umsetzungsfrist bei fehlender Umsetzung unmittelbar Anwendung findet, gemäß der Richtlinie 2012/13/EU Absatz 1 explizit für schriftliche Unterlagen:
"Wird eine Person in irgendeinem Stadium des Strafverfahrens festgenommen und inhaftiert, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Unterlagen zu dem gegenständlichen Fall, die sich im Besitz der zuständigen Behörden befinden und für eine wirksame Anfechtung der Festnahme oder Inhaftierung gemäß dem innerstaatlichen Recht wesentlich sind, den festgenommenen Personen oder ihren Rechtsanwälten zur Verfügung gestellt werden."
4. Der Begriff der wesentlichen Dokumnete des Verfahrens
Wesentliche Dokumente, soweit diese ausdrücklich als solche bezeichnet werden oder für die Gewährleistung eines gerechten und fairen Verfahrens von wesentlicher Bedeutung sind, müssen daher immer dann übersetzt werden, wenn dies für das Verständnis der gegen sie erhobenen Vorwürfe in rechtlicher, sachlicher oder beweisrechtlicher Hinsicht durch den Beschuldigten erforderlich ist (Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 2010/64/EU).
Gemäß der Richtlinie 2010/64/EU, Artikel 3 Absatz 2, sind die dort aufgeführten Dokumente, u. a. „die Anklageschrift und jegliches Urteil“, zu übersetzen.
Der Begriff der wesentlichen Dokumente umfasst Beweismittel in Form von Dienstinformationen, Dienstanweisungen, Ermittlungsberichten, Durchsuchungsberichten, Beschlagnahmeberichten, Berichten über Telekommunikationsüberwachung, Verkehrsdaten, Observationen etc. sowie Berichten in Fachsprache, die selbst für den muttersprachlichen Beschuldigten schwer verständlich sind und deren schriftliche Übersetzung daher nicht durch eine mündliche Zusammenfassung ersetzt werden kann.
Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 2010/64/EU regelt weiter:
„Die zuständigen Behörden entscheiden im konkreten Fall darüber, ob weitere Dokumente wesentlich sind. Verdächtige oder beschuldigte Personen oder ihr Rechtsbeistand können einen entsprechenden begründeten Antrag stellen."
Dieser Umstand erfordert unmittelbar eine einheitliche Auslegung und führt dazu, dass im Zweifelsfall eine Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) beantragt werden muss. Denn der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) fördert eine einheitliche Auslegung und Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten und bietet den Gerichten der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dem EuGH Vorabfragen zur Auslegung des EU-Rechts vorzulegen, wenn für deren Entscheidung eine Entscheidung des EuGH erforderlich ist.
5. Begriff der „Anklage“ gemäß Richtlinie 2010/64/EU
Dieser autonome Begriff der «Anklage» in der Richtlinie, der mehr dem Begriff des strafrechtlichen Vorwurfs, Ermittlungsmaßnahmen durch Vorladung, Festhalten, Durchsuchung, Beschlagnahme usw. insbesondere vor einer Anklage entspricht, muss bereits vor der Erhebung der formellen Anklage alle Vorwürfe umfassen, die sich gegen den Verdächtigen richten.
Aus der Wortwahl „Verdächtigen oder Beschuldigten“ ergibt sich, dass die oben aufgezeigten Rechte bereits im Ermittlungsverfahren gelten.
Schließlich entspricht der Begriff der «Anklage» in der Richtlinie 2010/64/EU dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entwickelten Begriff. Eine Person gilt im Sinne von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als «angeklagt», sobald ihre Lage durch Ermittlungshandlungen «erheblich beeinträchtigt» wird, unabhängig davon, ob bereits förmlich Anklage erhoben wurde.
Unter «Anklage» im Sinne von Artikel 6 Absätze 2 und 3 EMRK versteht man die offizielle Vorladung einer Person durch die zuständige Behörde über gegen sie erhobene Vorwürfe der Begehung einer Straftat.
Die Tatsache, dass es sich bei diesen Dokumenten ausdrücklich um «wesentliche Dokumente» im Sinne der Richtlinie 2010/64/EU handelt, beinhaltet eine weite Auslegung zugunsten des Beschuldigten und Angeklagten, so dass andere Dokumente für die Verteidigung der Beschuldigten wesentlich sein können und daher übersetzt werden müssen.
Denn der Beschuldigte hat bei Erhebung der «Anklage» bzw. des strafrechtlichen Vorwurfs das Recht, zu verstehen, worauf dieser gründet, um sich gegen diesen verteidigen zu können. Dies beinhaltet die formellen, tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen, unter denen die belastenden Tatsachen erlangt wurden, um im Vorverfahren oder kontradiktorischen Verfahren deren Zuverlässigkeit, Wert und Rechtmäßigkeit prüfen zu können.
Die bloße Möglichkeit der Akteneinsicht bedingt nicht, dass der Beschuldigte in den Stand versetzt wird, die Beweise prüfen zu können. Erst unter der Voraussetzung, diese zu verstehen, eröffnet sich dem Beschuldigten die Möglichkeit, dem Akteninhalt nach Prüfung formell oder materiell zu widersprechen, diesen widerzulegen und sich verteidigen zu können.
Dazu ist die Übersetzung der dem Verfahren zugrunde liegenden Dokumente zwingend notwendig, wenn diese für die Verteidigung des Beschuldigten im Verfahren von wesentlicher Bedeutung sind.
Die beiden Richtlinien sollen entweder durch direkte Anwendung des Rechts der Europäischen Union oder durch Anwendung des in Übereinstimmung mit diesem Recht ausgelegten nationalen Rechts oder bereits dieser Rechte begründenden vorhandenen nationalen Rechts dem Beschuldigten die Übersetzung von Dokumenten garantieren, die unter das oben genannte Konzept der Wesentlichkeit fallen.
In diesem Sinne genügt die bloße mündliche Übersetzung der verfahrenswesentlichen Dokumente nicht, insbesondere wenn diese längere, komplexe und rechtliche Ausführungen enthalten. In diesen Fällen ist eine schriftliche Übersetzung erforderlich, um den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, selbst, wiederholt und in ihrer eigenen Arbeitsweise und ihrem eigenen Tempo zu prüfen, was ihnen vorgeworfen wird und zur Vorbereitung ihrer Verteidigung dienen und helfen kann und wird.
Das Grundgesetz und EU-Recht garantieren den Beschuldigten einen Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz, und die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sicherzustellen, dass nationale Entscheidungen und Verfahrensregeln die Durchsetzung von Ansprüchen auf Grundlage des Gemeinschaftsrechts nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.
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