Was ist „Catcalling“ und was ist „Dogcalling“?
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1. Was ist „Catcalling“ und was ist „Dogcalling“?
2. Was ist sexuelle Belästigung?
3. Warum ist Catcalling bislang nur teilweise strafbar?
4. Was genau sieht der Gesetzesvorschlag vor?
5. Was spricht für eine Gesetzesänderung?
6. Was spricht gegen eine Gesetzesänderung?
1. Was ist „Catcalling“ und was ist „Dogcalling“?
Catcalling bezeichnet sexuelle Belästigungen hauptsächlich von Frauen, aber mittlerweile auch Mitglieder der LGBTQIA+-Community. Dogcalling bezeichnet die sexuelle Belästigung von Männern. Letzteres ist häufig ohne Bedeutung, da diese allseits nicht als signifikant angesehen wird, Männer im Gegensatz zu Frauen niedrigschwellige bis unangemessene bis strafbare sexuelle Belästigungen wie der Handeinführen in die Hosentasche oder Hosenbund, Griff in den Schritt, Kneifen in das Gesäß häufig als Attraktivitätsbekundungen werten oder aber trotz Erfüllung von Straftatbeständen aus freien Stücken als gesellschaftlich und individuell irrelevant nicht anzeigen wollen.
Catcalling und Dogcalling sind Unterformen der sexuellen Belästigung, welche in der Regel die Strafbarkeitsschwelle nicht erreichen, aber für die betroffene Person als verletzend empfunden werden.
2. Was ist sexuelle Belästigung?
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden je nach sozialem und kulturellem Verständnis, individueller Wahrnehmung, Situation, Region, sozialer Schicht oder Gruppe, Idiom (= eigentümliche Sprache, Sprechweise einer regional oder sozial abgegrenzten Gruppe) körperliche und sexualisierte Handlungen, Gestik, Mimik, Handzeichen, Verhalten und Äußerungen als sexuelle Belästigung aufgefasst.
Ein Indiz für eine sexuelle Belästigung ist, dass die Handlung oder Äußerung der Machtausübung oder sexuellen Verfügbarkeit des Adressaten dient.
Die Handlung oder Äußerung muss gegen den Willen der oder des Betroffenen erfolgen und dessen Persönlichkeitsrechte und Würde verletzen. Dies bedeutet, dass es von der betroffenen Person abhängt, wie diese das Verhalten des Gegenübers wahrnimmt oder wahrnehmen möchte. Was für den einen eine eindeutige sexuelle Belästigung darstellt, ist für den anderen eine willkommene sexuelle Attraktivitätsbekundung. Das Strafgesetzbuch darf und kann den Tatbestand der sexuellen Belästigung ausschließlich von subjektiven Empfindungen und Meinungen abhängig machen, da dann Willkür Tür und Tor geöffnet werden würde.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert sexuelle Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG wie folgt:
„Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung […], wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“
Wird dieser Definition könnten unabhängig vom Geschlecht oder individueller Geschlechtszuordnung in enumerativ nicht abschließender Aufzählung folgende Handlungsweisen als sexuelle Belästigung im weitesten Sinne gelten:
- Eindeutige Mimiken und (obszöne) Gestiken, z. B. Handzeichen sexuellen Inhalts
- Das Erzeugen bestimmter Geräusche sexueller Bedeutung wie Schnalzen, Stöhnen, Hinterherpfeifen
aufdringliche Blicke - indiskrete Fragen zu sexuellen Vorlieben, Liebesleben, sexueller Bereitschaft
- anzügliche oder herabsetzende Bemerkungen etwa über das körperliche Aussehen
- unerwünschter Körperkontakt oder wiederholte, unerwünschte Unterschreitung des intimen Abstandsbereichs ohne körperliche Berührung
- unerwünschte Nachrichten mit sexualisierten Inhalten und Bildern, z. B. Penisbilder
- sexuelle Anspielungen oder Witze,
- sexuelle Belästigung über soziale Medien, Chatplattformen, Kommunikationsplattformen, E-Mails etc.
- Nachstellen (Stalking)
- körperliche Gewalt bis hin zur Vergewaltigung
Die zuletzt benannten Punkte erfüllen nicht den Tatbestand der sexuellen Belästigung, jedoch gegebenenfalls andere Straftatbestände wie Beleidigung, Nachstellung / Stalking (§ 238 StGB), sexuelle Nötigung / Übergriffe oder Vergewaltigung (§ 177 StGB). Sexuelle Belästigung ist gemäß § 184i StGB auf körperliche Handlungen begrenzt.
3. Warum ist Catcalling und Dogcalling bislang nur teilweise strafbar?
Im Allgemeinen überschreiten sexuelle Belästigungen in der Form des Catcallings oder des Dogcallings durch hinterhergerufene Kommentare, Geräusche (Pfeifen, Schnalzen, imitierende Sexgeräusche), Starren, anzügliche Gesten und scheinbar sozialadäquate Berührungen z.B. Handgeben zur Begrüßung, welche die Schwelle zur Strafbarkeit zur sexuellen, sexistischen oder sexualisierten Beleidigung gemäß § 185 StGB und mangels körperlicher Berührung den Straftatbestand der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB nicht oder erfüllen generell diese Straftatbestände nicht. § 184i StGB sieht einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu 2 Jahren und in schweren Fällen bis zu 5 Jahren vor.
Strafbare sexuelle Belästigungen sind gemäß § 184h StGB nur solche sexuellen Handlungen, die im Sinne des § 184i StGB im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind oder sexuelle Handlungen vor einer anderen Person, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt. Der Tatbestand der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB erfasst folglich nur solche Handlungen, bei denen „eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“ wird.
Mit sexualisierter Beleidigung ist die Verbalisierung sexueller Handlungen gegen den Willen des Betroffenen nicht als Ausdruck der Sexualität, sondern als Ausdruck der Macht und Gewalt über die andere Person gemeint.
Sexistische Bemerkungen sind sozial nicht angemessene Äußerungen wie „Schätzchen“, „Liebling“, „Blondie“, „Hengst“, „Schwanz“, „Hottie“, „heißer Typ“ oder „Schmacko“ für eine Person z.B. im Arbeitsverhältnis oder Einvernehmen mit der bezeichneten Person.
Die Beleidigung ist in der Regel ein ehrverletzendes Werturteil bezüglich der Ehre eines lebenden Menschen bzw. Ehrträgers oder gegenüber diesem selbst oder einem Dritten in Bezug auf dessen Ehre. Gleichfalls werden unwahre (§ 185 StGB) und im Einzelfall auch wahre (§ 192 StGB) ehrverletzende Tatsachenbehauptungen bezüglich der Ehre eines lebenden Menschen durch den Tatbestand der Beleidigung, wenn der Schwerpunkt und der Gesamtzusammenhang auf dem missachtenden Werturteil liegen, erfasst.
Für Frauen und Mitglieder der LGBTQIA+-Community können die oben aufgeführten Verhaltensweisen verletzend sein.
Das Strafrecht erfasst, wie der obigen Definition der sexuellen Belästigung zu entnehmen ist, nur körperliche Übergriffe als sexuelle Belästigung gemäß § 184i StGB. Verbale und lautmalerische Belästigungen fallen nicht unter diesen Straftatbestand. Gleichzeitig ist eine Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB häufig nicht möglich, da objektiv tatbestandlich z.B. Pfeifen, Stöhnen, sexuelle imitierende oder konnotierende Geräusche, Aussagen wie „Du bist sexy!“ je nach Kontext und sozialer Situation die Strafbarkeitsschwelle nicht überschreiten oder aber gerade ein Vorsatz der Ehrverletzung fehlt, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) keine Verletzung der Ehre vorausgesetzt werden kann, da bloße anzügliche oder sexualisierte Äußerungen wegen der Vieldeutigkeit respektive willkürlichen Interpretation als Kompliment oder Beleidigung teilweise erst Tage später nicht tatbestandserfüllend sind und sein können.
Hierin wird eine Strafbarkeitslücke respektive ein dringendes Problem für das gesellschaftliche Zusammenleben und den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung gesehen.
4. Was genau sieht der Gesetzesvorschlag vor?
Der Gesetzesvorschlag sieht eine Erweiterung des Tatbestands der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB vor, welcher Handlungen, Gesten und Mimik unter Strafe stellen soll, die eine Person in sexuell bestimmter Weise verbal oder nonverbal erheblich belästigen. Durch diese Formulierung werden nicht nur anzügliche Bemerkungen, sondern auch Gesten, Mimik oder Geräusche mit eindeutig sexueller Konnotation erfasst. Der Strafrahmen soll Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr vorsehen.
Das Tatbestandsmerkmal bzw. der unbestimmte Rechtsbegriff der „Erheblichkeit“ soll sicherstellen, dass nur ins Gewicht fallende Fälle verfolgt werden, so dass einfaches Pfeifen oder einmaliges Starren nicht unter den neuen Tatbestand erfasst werden würde.
5. Was spricht für eine Gesetzesänderung?
Die Befürworter verweisen darauf, dass Untersuchungen zeigen, dass Catcalling erhebliche psychische Folgen für die betroffenen Personen haben können. Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung schaffe ein Klima, in dem Menschen sich unsicher und erniedrigt fühlen. Zweck des Gesetzes solle die Schärfung des Bewusstsein für verbale und gestische sexuelle Belästigung sein, wodurch die betroffenen Personen besser geschützt würden. Damit würde respektloses Verhalten gegenüber den betroffenen Personen in der Öffentlichkeit nicht mehr geduldet und die sexuelle Selbstbestimmung auch gegen nicht körperliche Übergriffe geschützt.
6. Was spricht gegen eine Gesetzesänderung?
Das Gesetz greift sowohl in die Handlungsfreiheit als auch in die Meinungsfreiheit ein. Der unbestimmte Begriff der Erheblichkeit eröffnet jeder Spielart der Interpretation menschlicher Äußerungen, Gesten und Mimik mit bewusster, unbewusster, nicht gemeinter, suggerierter, fehl- oder falsch gedeuteter sexueller Konnotation Tür und Tor als strafbegründend festzustellen.
Das Strafrecht kann und soll nicht gesellschaftliche Konventionen, zeitgenössischer Benimmregeln oder Regeln des Respekts regeln, sondern das Notwendigste zum Schutze der Grundrechte aller. Im Übrigen wird Verhalten erfasst, welches unabhängig vom Geschlecht zumindest in großen Teilen der Gesellschaft als sozialadäquat, Form der gewünschten, akzeptierten und respektierten Umgangsformen empfunden und angesehen wird.
Wie soll angesichts der Vielfalt sozial angemessenen, akzeptierten, respektierten oder abgelehnten und als verletzend empfundenen menschlichen Sexualverhaltens je nach Empfängerhorizont, Chronologie des Geschehens oder der vorhandenen Stimmungen und zeitlichem Abstand zum Geschehen der unbestimmte Rechtsbegriff der „Erheblichkeit“ durch den Durchschnittsbürger oder die Durchschnittsbürgerin bestimmt werden? Dies könnte das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verletzen.
Der Gesetzesadressat muss sein Verhalten verlässlich auf die geltende Rechtslage einstellen können. Folglich müssen Straftatbestände so formuliert sein, dass jeder zu jedem Zeitpunkt wissen kann, was verboten ist und was erlaubt ist. Angesichts des Bestimmtheitsgebots könnte es für einen Bürger schwierig sein, einzuordnen, ab wann die Schwelle der „Erheblichkeit“ überschritten wurde (vgl. Steiner, ZRP 2021, 243).
Ferner ergeben sich Beweisschwierigkeiten, da Catcalling häufig im öffentlichen Raum oder bei kurzen Begegnungen stattfindet, so dass u.U. schwer feststellbar ist, wer der Täter war und ob das Verhalten den Straftatbestand des Catcallings erfüllt.
Straftatbestände sollen grob ein Mindestmaß des Grundrechtsschutzes als letztes geeignetes Mittel („ultima ratio“) regeln, da eine freie Gesellschaft nicht alles strafrechtlich regeln kann, ohne den Charakter der freien Gesellschaft zu verlieren oder die freiheitliche Gesellschaft abzuschaffen. In einer freien Gesellschaft ist im Rahmen der Handlungsfreiheit und Meinungsfreiheit bestimmtes Verhalten bis und über die Schmerzgrenze zu ertragen, weil andernfalls jedes Individuum und jede gesellschaftliche Gruppe nach weiteren strafrechtlichen Regeln für niedrigschwellige Regelüberschreitungen verlangt, welche jede primitive, pointierte, provokante, verletzende Äußerung bis zur Auslöschung der Freiheitsrechte verboten haben möchte. Die vorhandenen Strafnormen, hier der Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB, erfassen zwar nicht „Ich will Dich!“, aber „Ich will Dich ficken!“. Denn letztere Äußerung wird als Catcalling bereits gemäß § 185 StGB erfasst. Dasselbe gelte für physische Übergriffe, die durch den Katalog der Strafnormen gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst werden. Es bestehe kein Handlungsbedarf für eine weitere Verbotsnorm (vgl. Steiner, ZRP 2021, 243).
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