Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Sozialversicherungsbeiträge und Arbeitgeberleistungen

1. Was ist gemäß § 266a StGB strafbar?
1.1. Nichtabführen von Arbeitnehmerbeiträgen (§ 266a Abs. 1 StGB)
1.2. Nichtabführen von Arbeitgeberbeiträgen (§ 266a Abs. 2 StGB)
1.3. Nichtabführen von Arbeitsentgeltanteilen (§ 266a Abs. 3 StGB)
2. Unterschätzen Sie nicht, dass die Strafbarkeitsschwelle niedrig ist.

1. Was ist gemäß § 266a StGB strafbar?

Eine Strafbarkeit gemäß § 266a StGB liegt in folgenden Fällen vor.

1.1. Nichtabführen von Arbeitnehmerbeiträgen (§ 266a Abs. 1 StGB)

Die gesetzlichen Beiträge eines jeden Arbeitnehmers zu Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung werden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt. Das Abführen beider Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile obliegt dem Arbeitgeber. Die Arbeitnehmerbeiträge zieht er aus dem Bruttolohn seiner Angestellten.

Wenn der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer nicht oder nicht fristgerecht abführt, macht er sich gemäß § 266a Abs. 1 StGB strafbar. Führt der Arbeitgeber gleichfalls die Lohnsteuer, das ist die Einkommensteuer des Arbeitnehmers, nicht fristgerecht ab, liegt eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, eine Steuerverkürzung gemäß § 378 AO oder eine Steuergefährdung gemäß § 379 AO vor.

1.2. Nichtabführen von Arbeitgeberbeiträgen (§ 266a Abs. 2 StGB)

Gleiches gilt unabhängig von der Auszahlung und der Höhe des Lohns an den Arbeitnehmer für das fehlende oder verspätete Abführen des Arbeitgeberanteils an die Sozialversicherung. Dies gilt auch für die unrichtige oder unvollständige Erklärung des Sozialversicherungsbeitrags, die gemäß § 266a Abs. 2 StGB strafbar ist. Auch hier kommt eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, Steuerverkürzung gemäß § 378 AO oder Steuergefährdung gemäß § 379 AO in Betracht.

1.3. Nichtabführen von Arbeitsentgeltanteilen (§ 266a Abs. 3 StGB)

Der Arbeitgeber kann über den abzuführenden Teil des Bruttolohns weitere Teile einbehalten und treuhänderisch verwalten. Dazu zählen Beteiligung an dem Unternehmen oder Betriebsaltersvorsorge, die, soweit der Arbeitgeber diese Anteile nicht vereinbarungsgemäß abführt, eine Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 3 StGB begründen.

Dies gilt, wie oben ausgeführt, unabhängig von der Höhe der Löhne und davon, ob diese ausgezahlt wurden.

Der Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, Lohnzusatzleistungen und Sozialversicherungsbeiträgen geht häufig mit weiteren Straftatbeständen des Arbeitsstrafrechts – Schwarzarbeit, Arbeitsschutz, Arbeitnehmerüberlassung, Scheinselbstständigkeit usw. – einher.

Die Verletzung des Tatbestands gemäß § 266a StGB wird von Amts wegen verfolgt, da es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt handelt. Folglich ist für eine Strafverfolgung keine Strafanzeige oder kein Strafantrag der Geschädigten notwendig. Es genügt, dass den Ermittlungsbehörden die Tatumstände bekannt werden.

2. Unterschätzen Sie nicht, dass die Strafbarkeitsschwelle niedrig ist.

Bei drohender Insolvenz kommt nicht nur Insolvenzbetrug, Bankrott – sondern auch der Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, Lohnzusatzleistungen und Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a StGB in Betracht. Durch die Vereinbarung einer Stundung der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge mit Krankenversicherungen über den meist üblichen Fälligkeitstermin des 15. des Monats hinaus kann in der Regel der Tatbestand des Veruntreuens von Arbeitsentgelt abgewendet werden.

Entscheidend ist, dass im Falle von Zahlungsengpässen oder bei drohender oder bereits eingetretener Insolvenz vorrangig die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind. Es empfiehlt sich, die Löhne nicht zu zahlen und vor allem anderen die Sozialversicherungsbeiträge auszugleichen, um eine Strafbarkeit gemäß § 266a StGB abzuwenden.

Denn selbst im Falle, dass die Löhne einbehalten werden, müssen die Arbeitnehmeranteile abgeführt werden. Andernfalls macht sich der Arbeitgeber gemäß § 266a Abs. 1 StGB strafbar. Ist eine gewisse Restliquidität vorhanden, sind die Sozialversicherungsbeiträge vorrangig zu zahlen. Ausschließlich eine vollständige Zahlungsunfähigkeit kann eine Strafbarkeit entfallen lassen. Dies bedeutet, dass sich der Arbeitgeber, der aus Verbundenheit oder Verpflichtung zu seinen Arbeitnehmern Arbeitsentgelte zahlt, damit seine Strafbarkeit gemäß § 266a StGB gerade erst begründet.

Vollständige Zahlungsunfähigkeit schließt die Strafbarkeit gemäß § 266a StGB nicht aus.

Zwar muss dem Arbeitgeber gemäß § 266a StGB das Abführen der Beiträge tatsächlich und rechtlich möglich und zumutbar sein. Die Rechtsprechung verlangt vom Arbeitgeber, dass er erst alle verfügbaren Finanzmittel für die Bezahlung der (Sozialversicherungs-)Beiträge verwendet. Erst nach Eintritt einer tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit und einem Insolvenzantrag geht die Rechtsprechung in der Regel von Unmöglichkeit einer Zahlung aus.

Strafbarkeitsfalle trotz grundsätzlicher vollständiger Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Die Zahlungsunfähigkeit und der Insolvenzantrag bewahren den Arbeitgeber dann nicht vor einer Strafbarkeit gemäß § 266a StGB, wenn er Finanzmittel der Firma vor Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zum Ausgleich für andere Forderungen verwendet hat und die spätere Zahlungsunfähigkeit in Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge abzusehen war. Dem Arbeitgeber wird in diesem Fall unterstellt, die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge billigend in Kauf genommen – bedingter Vorsatz – zu haben. Der Arbeitgeber muss folglich vor Erfüllung aller anderen Forderungen sicherstellen, dass die Zahlung der in Kürze fälligen Sozialversicherungsbeiträge noch möglich ist. Ist dies nicht der Fall, sollten die Finanzmittel für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge vorgehalten werden.

Im Resümee kann nur eine plötzliche, unerwartete und nicht vorhersehbare Zahlungsunfähigkeit, welche die Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge unmöglich macht, eine Strafbarkeit abwenden.

Unsere Strafverteidiger*innen werden im Einzelfall prüfen, ob die Zahlungsunfähigkeit abzusehen und abwendbar war und ob die Zahlungsunfähigkeit vom Arbeitgeber billigend in Kauf genommen wurde.

Mündlich geschlossene Arbeitsverträge sind sozialversicherungspflichtig.

Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers sind auch bei mündlich geschlossenen und konkludenten bzw. schlüssigen Arbeitsverträgen fällig und damit die fehlende Abführung der Sozialversicherungsbeiträge unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis angemeldet oder Lohn gezahlt wurde, strafbar.

Dies gilt gleichfalls bei einer geringfügigen Beschäftigung, weil dort zwar keine Arbeitnehmerbeiträge, aber Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherung abzuführen sind.

Was muss ich wissen und wollen oder wann schützt Unwissenheit vor Strafe?

Bei einer Delegation oder Beauftragung Dritter, die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, trifft bei Unregelmäßigkeiten bei deren Zahlung den Arbeitgeber oder den Geschäftsführer des Unternehmens regelmäßig ein Organisationsverschulden, da er sicherstellen muss, dass die Beiträge dem Grunde und der Höhe nach richtig abgeführt werden. Der Geschäftsführer ist strafrechtlich verantwortlich, wenn Arbeitnehmer oder Dritte Sozialversicherungsbeiträge nicht oder fehlerhaft abführen, da er alle Handlungen der Gesellschaft zu vertreten hat.

Welche Strafen drohen bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt?

Die Strafandrohung bei Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen und Lohnnebenleistungen wie Betriebsaltersversorgung erstreckt sich von Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen drohen Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren, z. B. bei Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus „grobem Eigennutz“ oder bei systematischem Kapitalabzug zu anderen Zwecken. Wird parallel die Lohnsteuer / Einkommensteuer gefährdet, verkürzt oder hinterzogen, kommen eine Strafbarkeit gemäß §§ 370 ff. AO, Bankrott gemäß § 283 StGB, Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b StGB, Gläubigerbegünstigung gemäß § 283c StGB, Schuldnerbegünstigung gemäß § 283d StGB, Betrug gemäß § 263 StGB, Kreditbetrug gemäß § 265a StGB, Untreue gemäß § 266 StGB, Verstoß des Verlustes des Stammkapitals gemäß § 84 GmbHG und Verletzung, Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO in Betracht.

Dem Geschäftsführer einer GmbH wird bei einer Verurteilung die Erlaubnis zur Fortführung seines Amtes gemäß § 6 GmbHG auf Jahre entzogen, was einem Berufsverbot gleichkommt.

Außerdem erfolgt eine Eintragung ins polizeiliche Führungszeugnis.

Das Gericht kann von einer Strafe absehen, wenn der Beschuldigte spätestens bei Fälligkeit der Beiträge schriftlich dargelegt hat, dass eine fristgemäße Zahlung nicht möglich war, warum dies der Fall war und was er dagegen zu tun versucht hat.

Wann verjährt Vorenthalten von Arbeitsentgelt?

Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre ab Beendigung der Tat, also in der Regel ab Verstreichen der Zahlungsfälligkeit der Beiträge. Durch Unterbrechungen der Verjährung, etwa durch Verfügung der Staatsanwaltschaft, beginnt diese jedoch immer wieder von Neuem bis zum Doppelten der Verjährungsfrist als 10 Jahre. Die Beitragspflicht erlischt erst für den Zeitraum nach wirksamer Insolvenzanmeldung und Insolvenzbeschluss. Dies bedeutet jedoch nicht die Straffreiheit für die Zeit vor wirksamer Insolvenzanmeldung.

Ist eine Selbstanzeige gemäß § 266a StGB möglich?

Wie bei der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) besteht die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige.

Wer sich rechtzeitig und vollständig unverzüglich nach Eintritt der Fälligkeit der Beiträge an die zuständige Stelle, in der Regel die zuständige Krankenkasse, wendet, die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mit einer Begründung anmeldet und innerhalb einer neu gesetzten Frist die Beiträge in vollem Umfang nachzahlt, kann einer Bestrafung entgehen.

Eine Selbstanzeige muss vor Kenntnis der Ermittlungsbehörde, spätestens vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, Ist bereits Strafanzeige gestellt worden, ist es für eine strafbefreiende Selbstanzeige zu spät. Jedoch kann diese zu einer erheblichen Strafmilderung und bei Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB zu einer Strafrahmenverschiebung zu einer milderen Strafe führen.

Anzeige wegen § 266a StGB: Wie soll ich mich als Beschuldigter verhalten?

Sollte gegen Sie wegen des Vorenthaltens oder Veruntreuens von Arbeitsentgelt ermittelt werden, kontaktieren Sie zeitnah einen Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Strafrecht. Dieser oder diese wird die Korrespondenz mit den Ermittlungsbehörden übernehmen, Akteneinsicht beantragen und versuchen, die Angelegenheit zur Einstellung zu bringen.

Unter keinen Umständen sollten Sie ohne Akteneinsicht, ohne Beratung und ohne Verteidigungsstrategie zu den Tatvorwürfen Stellung nehmen. Sie haben jederzeit das Recht, die Aussage zu verweigern, sich eines Anwalts zu bedienen und Beweiserhebungen zu beantragen.  

Wir sind eine Anwaltskanzlei, die seit 75 Jahren im Strafrecht und in der Strafverteidigung, insbesondere im Wirtschafts-, Unternehmens- und Arbeitsstrafrecht, tätig ist. Wir verteidigen, beraten und schützen Sie beim Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsbeiträgen. Unsere Strafverteidiger*innen entwickeln mit Ihnen eine Verteidigungsstrategie für das bestmögliche Ergebnis.

Wir verteidigen Sie bundesweit vor allen deutschen Gerichten.

Rufen Sie uns an und lassen Sie sich eine unverbindliche Ersteinschätzung geben. Nehmen Sie am besten sofort Kontakt zu uns auf!

Als Arbeitgeber unterliegen Sie besonderen Verpflichtungen, deren Verletzung zu einer Strafbarkeit führen kann.

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

In Absatz 3 ist noch das Vorenthalten von Teilen des Arbeitsentgeltes, welches der Arbeitgeber an andere abzuführen hat und welches kein Beitrag zur Sozialversicherung ist, unter Strafe gestellt.

In § 266a Absatz 4 StGB sind besonders schwere Fälle unter eine höhere Strafe gestellt.

Geschütztes Rechtsgut von § 266a StGB ist dabei das Interesse der Gemeinschaft am Aufrechterhalten der Sozialversicherung. Nicht geschützt ist aber das Interesse des Arbeitnehmers an der Auszahlung seines Lohnes.

Ich beschäftige zwei Mitarbeiter „schwarz“, also ohne Anmeldung bei der Krankenkasse. Habe ich mich nach § 266a StGB strafbar gemacht?

In § 266a Absatz 1 StGB ist nur das Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen unter Strafe gestellt. Arbeitnehmeranteile sind Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit. Diese Beiträge werden zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer bezahlt. Der Arbeitnehmer bekommt ein „Bruttogehalt“ ausgezahlt, bei dem die Anteile zu den genannten Versicherungen abgezogen und vom Arbeitgeber abgeführt werden. Der Arbeitgeber zahlt in etwa die gleiche Summe zusätzlich an die Krankenkasse, die sogenannten Arbeitgeberanteile. Dies bedeutet, dass man als Arbeitnehmer die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberanteile abführen muss. Unterlässt man dies, macht man sich regelmäßig wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB strafbar.

Meine Firma beschäftigt zwei „freie Mitarbeiter“ auf Honorarbasis, die ausschließlich für mich arbeiten. Sozialversicherungsbeiträge werden nicht abgeführt. Vorenthalten von Arbeitsentgelt?

Nur das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung ist in § 266a Abs. 1 StGB unter Strafe gestellt. Ob diese Beiträge geschuldet werden, richtet sich danach, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder eine selbstständige Tätigkeit erbracht wird. Wenn man einen (unabhängigen) Handwerker damit beauftragt, die Hofeinfahrt zu pflastern oder eine Wohnung zu streichen, liegt in der Regel eine selbstständige, nicht weisungsgebundene Tätigkeit vor. Dann ist der Handwerker kein angestellter Arbeitnehmer. Bei freien Mitarbeitern kann auch eine sogenannte „Scheinselbstständigkeit“ vorliegen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die freien Mitarbeiter über längere Zeit ausschließlich nur für einen Auftraggeber handeln oder diesem gegenüber weisungsgebunden bezüglich Arbeitsort und Arbeitszeit oder vollständig in den Betriebsablauf des Arbeitgebers integriert sind. Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Das hängt von einer relativ komplizierten Gesamtbewertung ab. Wenn man eine Anzeige wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt erhalten hat, weil man freie Mitarbeiter beschäftigt haben soll, sollte man umgehend einen versierten Strafverteidiger aufsuchen. Dieser kann im Einzelfall anhand der unübersichtlichen Rechtsprechung prüfen, ob eine „Scheinselbstständigkeit“ vorgelegen hat. Um sich nicht unnötig zu belasten, sollte man vorerst keine Angaben zur Sache machen. Ein Strafverteidiger kann Akteneinsicht nehmen und so im Anschluss die Beweislage einschätzen.

Meiner Firma droht die Insolvenz und ich beantrage Stundung der Sozialversicherungsbeiträge. Kann auch hier Vorenthalten von Arbeitsentgelt vorliegen?

In § 266a StGB ist nur das Vorenthalten oder Veruntreuen von fälligen Beiträgen zur Sozialversicherung unter Strafe gestellt. Eine mit der Krankenkasse vereinbarte Stundung verschiebt die Fälligkeit der Beiträge. Solange die Stundungsvereinbarung eingehalten wird, liegt gewöhnlich noch kein Veruntreuen von Arbeitsentgelt vor. Mein Vorschlag ist, also bei drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsschwierigkeiten oder eines Liquiditätsengpasses zuerst zeitnah mit der Krankenkasse eine Stundungsvereinbarung der Arbeitnehmeranteile abzuschließen, um eine Strafbarkeit nach § 266a StGB zu vermeiden. Wann eine Zahlung fällig ist, bestimmt sich nach den Satzungen der jeweiligen Krankenkasse. Bei vielen Krankenkassen sind die Sozialversicherungsbeiträge bis zum 15. des Folgemonats abzuführen.

Im Falle von Zahlungsengpässen oder bei drohender oder bereits eingetretener Insolvenz muss man vorrangig die Sozialversicherungsbeiträge abführen. Gegebenenfalls muss man, wenn dies möglich ist, die Löhne einbehalten und mit diesem Geld zunächst die Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, um eine Strafbarkeit nach § 266a StGB zu verhindern.

Auch wenn keine Löhne ausgezahlt werden, müssen die Arbeitnehmeranteile abgeführt werden. Sonst macht man sich in aller Regel nach § 266a Abs. 1 StGB strafbar. Nur bei vollständiger Zahlungsunfähigkeit kann eine Strafbarkeit entfallen. Diese Rechtslage ist für Arbeitgeber regelmäßig schwierig. Ein Arbeitgeber möchte bei Liquiditätsengpässen häufig wenigstens die Löhne zahlen und verzichtet lieber auf die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Dieses menschlich nachvollziehbare Verhalten führt regelmäßig aber zur Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt.

Meine Firma ist vollständig zahlungsunfähig. Muss ich die Beiträge abführen?

Um sich wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB strafbar zu machen, muss die Erfüllung der Handlungspflicht, das heißt das Abführen der Beiträge, möglich und zumutbar sein. Wenn der Arbeitgeber die Beiträge tatsächlich oder rechtlich nicht abführen kann, ist er regelmäßig nicht strafbar. Die Rechtsprechung stellt jedoch hohe Anforderungen an eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit. Grundsätzlich müssen erst alle verfügbaren Firmenmittel für die Bezahlung der Beiträge verwendet werden. Erst wenn bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist und ein Insolvenzantrag gestellt worden ist, geht die Rechtsprechung in der Regel von Unmöglichkeit einer Zahlung aus.

Ich gebe Gelder vor der Zahlungsfrist für die Arbeitnehmeranteile aus und kann deshalb diese dann zum Zahlungstermin nicht zahlen. Kommt hier eine Strafbarkeit in Betracht?

Grundsätzlich führt eine vollständige Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zur Abwendung der Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten gem. § 266a StGB. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht, wenn Firmengelder vor Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge bewusst aufgebraucht werden und zu diesem Zeitpunkt bereits die spätere Zahlungsunfähigkeit hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge abzusehen ist. Wenn dies vom Arbeitgeber billigend in Kauf genommen wurde, liegt sogenannter bedingter Vorsatz vor und man hat sich regelmäßig strafbar gemacht. Wenn man also Firmengelder ausgibt, muss man sich vorher vergewissern, ob die Zahlung der bald fälligen Sozialversicherungsbeiträge noch möglich sein wird. Wenn dies nicht der Fall ist, dürfen Firmengelder nur für Sozialversicherungsbeiträge verwendet werden.

Eine Strafbarkeit entfällt also nur dann, wenn plötzliche, unerwartete und nicht vorhersehbare Umstände die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge unmöglich machen.

Wenn die Zahlungsprobleme absehbar sind, müssen notfalls die an die Arbeitnehmer auszuzahlenden (Netto-)Löhne gekürzt werden.

Ein Strafverteidiger wird im Einzelfall prüfen, ob die Zahlungsunfähigkeit abzusehen und abwendbar war und ob die Zahlungsunfähigkeit vom Arbeitgeber billigend in Kauf genommen wurde.

Ich habe mit einem Mitarbeiter nur mündlich einen Arbeitsvertrag geschlossen. Ist dies bei § 266a StGB von Belang?

Wer die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers vorenthält, macht sich gewöhnlich auch dann strafbar, wenn der Arbeitsvertrag nur mündlich oder überhaupt nicht geschlossen wurde. Es ist ausreichend, wenn durch den Arbeitnehmer mit der Arbeit begonnen wird. Dies liegt daran, dass ein Arbeitsvertrag auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln geschlossen werden kann. Ebenso ist es unbeachtlich, ob der Einzugsstelle das Arbeitsverhältnis gemeldet wurde.

Ich habe die Arbeitgeberanteile nicht abgeführt. Fällt dies auch unter Vorenthalten von Arbeitsentgelt?

Nach § 266a Absatz 2 StGB wird auch bestraft, wer unrichtige oder unvollständige oder gar keine Angaben gegenüber der Einzugsstelle macht und dadurch Arbeitgeberanteile vorenthält. Auch wenn richtige Angaben gemacht und keine Arbeitgeberanteile abgeführt wurden, kann eine Strafbarkeit nach § 266a Absatz 2 StGB vorliegen.

Wenn man also seine Arbeitgeberanteile nicht abführt, unabhängig davon, ob Lohn ausbezahlt wurde oder nicht, macht man sich in der Regel nach § 266a Absatz 2 StGB wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt strafbar. Man muss sowohl die Arbeitnehmeranteile als auch die Arbeitgeberanteile vollständig abführen, um eine Strafbarkeit abzuwenden.

Dies gilt auch bei einer geringfügigen Beschäftigung, weil auch dort Arbeitgeberanteile an die Sozialversicherung abzuführen sind. Man kann sich bei einer geringfügigen Beschäftigung nur nicht nach Absatz 1 strafbar machen, weil bei einer Beschäftigung unter 450 € brutto keine Arbeitnehmer-, sondern nur Arbeitgeberanteile abgeführt werden müssen.

Was muss ich wissen und wollen oder wann schützt Unwissenheit vor Strafe?

Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt stellt ein Vorsatzdelikt dar Dies bedeutet, dass man nicht fahrlässig Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreuen kann. Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen aller Tatbestandsmerkmale. Man muss also gewusst haben, dass man Arbeitnehmeranteile oder nach Absatz 2 Arbeitgeberanteile nicht abgeführt hat. Ausreichend ist ein bedingter Vorsatz. Ein bedingter Vorsatz liegt vor, wenn man es billigend in Kauf nimmt, dass das eigene Verhalten strafrechtlich relevant ist. Der Irrtum darüber, ob überhaupt eine Pflicht zur Abführung der Beiträge bestand, beseitigt nur in engen Ausnahmefällen die Strafbarkeit. Dies wäre dann der Fall, wenn der Irrtum unvermeidbar gewesen wäre Wenn man alle tatsächlichen Umstände kennt, die zur Strafbarkeit führen, handelt man vorsätzlich, das heißt mit Wissen und Wollen.

Wenn in einer Firma jemand beauftragt ist, die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, trifft den Geschäftsführer der Firma regelmäßig ein Organisationsverschulden, wenn er nicht sicherstellt, dass die Beiträge ordentlich abgeführt werden. Das Verschulden des Angestellten trifft in aller Regel den Geschäftsführer. Auch wenn man vom Verschulden des Angestellten nichts weiß, handelt man schuldhaft im strafrechtlichen Sinne. Der Geschäftsführer ist in der Regel für alle Handlungen der Gesellschaft strafrechtlich verantwortlich.

Welche Strafe erwartet mich?

Die Strafe bei § 266a Absatz 1 StGB beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Der Richter entscheidet im Einzelfall, welche Strafe konkret verhängt wird. Dabei spielen die Schwere der Schuld, das Ausmaß des Schadens und eventuelle Vorstrafen eine Rolle. Wer nur einmal vergisst, die Arbeitnehmerbeiträge abzuführen, wird milder bestraft als jemand, der im erheblichen Stil Schwarzarbeiter beschäftigt und so eine erhebliche Summe den Sozialversicherungskassen vorenthält.

Hierbei ist von Bedeutung, dass sich die Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt auf jeden einzelnen Arbeitnehmer und jeden einzelnen Monat bezieht. Sollte ein Arbeitgeber für zwei Arbeitnehmer über einen Zeitraum von vier Monaten keine Sozialversicherungsbeiträge abführen, würden acht einzelne Taten vorliegen.

Das Gericht kann von Strafe absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
In einem solchen Fall kann das Gericht von Strafe absehen, muss aber nicht. Das Gericht muss hingegen zwingend von einer Verurteilung wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt absehen, wenn die Beiträge nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet werden.

Eine Strafverschärfung sieht Absatz 4 vor. Demnach wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer

aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält oder
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.
Eine Verurteilung führt zu einem Eintrag im Bundeszentralregister (BZR). Wer sein Führungszeugnis vorlegen muss, kann durch einen Eintrag im Bundeszentralregister in seiner beruflichen und privaten Lebensgestaltung eingeschränkt werden. Geschäftsführern droht insbesondere ein „Berufsverbot“.

Wann ist das Vorenthalten von Arbeitsentgelt verjährt?

Die Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 verjährt gemäß § 78 StGB fünf Jahre nach Vollendung der Tat. Die Tat ist vollendet, wenn die Beiträge fällig sind und nicht gezahlt werden. Wann die Beiträge fällig sind, richtet sich nach den Satzungen der jeweiligen Krankenkasse.

Wann sollte ich einen Rechtsanwalt für Strafrecht aufsuchen?

Wenn Sie bereits eine Vorladung als Beschuldigter erhalten haben, sollten Sie vorerst keine Angaben zur Sache machen und sich umgehend an einen Strafverteidiger wenden. Beim Vorenthalten von Arbeitsentgelt ist der Tatbestand bereits erfüllt, wenn man die Beiträge nicht abführt. Auch ein Irrtum über die Abgabepflicht schließt die Strafbarkeit nur aus, wenn er unvermeidbar gewesen war. Aufgrund dieser schwierigen und teilweise komplexen rechtlichen und tatsächlichen Bewertung ist es ratsam, vorerst keine Angaben zur Sache zu machen und einer eventuellen polizeilichen Vorladung nicht Folge zu leisten. Auch sollte ein Belehrungsbogen nicht beantwortet werden.

Ein Strafverteidiger kann nach Akteneinsicht mit Ihnen gemeinsam ein Verteidigungsziel bestimmen. Hierbei wird ein Rechtsanwalt zunächst prüfen, ob eine Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen bestanden hat. Insbesondere muss ein Arbeitsverhältnis und keine selbstständige Tätigkeit vorgelegen haben. Sollte ein Angestellter der Buchhaltung zuständig sein, die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, wird ein Rechtsanwalt prüfen, ob ein Organisationsverschulden vorgelegen hat. Bei der Auswahl einer Verteidigungsstrategie ist maßgeblich, ob ein Tatnachweis durch die Strafverfolgungsbehörden erbracht werden kann. Sollte dies wohl möglich sein, kommt unter Umständen eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld in Betracht.

Nehmen Sie Kontakt zur Strafverteidigung Lauenburg I Kopietz I Herzog I Hoffmann auf

Wenn Sie beschuldigt werden, Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreut zu haben, können Sie mit Rechtsanwalt Dietrich einen unverbindlichen Besprechungstermin vereinbaren. Strafverteidigung Lauenburg I Kopietz I Herzog I Hoffmann haben langjährige Erfahrung beim Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. In einer Erstberatung wird die Strafverteidiger*innen Lauenburg I Kopietz I Herzog I Hoffmann Sie über Ihre prozessuale Stellung und mögliche Verteidigungsmöglichkeiten aufklären. Wir treten deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Sollten Sie einen Besprechungstermin in den Kanzleiräumen nicht wahrnehmen können, können Sie Strafverteidigung Lauenburg I Kopietz I Herzog I Hoffmann auch zunächst eine E-Mail schicken.