Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Ihnen gleichgestellten Personen
Wir verteidigen Sie bundesweit in allen Bereichen des Strafrechts, insbesondere im Bereich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und des Vorwurfs des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 StGB diesen gleichgestellten Personen gemäß § 115 StGB.
Die in den §§ 113–115 StGB geregelten Tatbestände erfassen Widerstandshandlungen in Vollstreckungssituationen (§ 113 StGB) und Tätlichkeiten gegenüber Vollstreckungsbeamten (§ 114 StGB) sowie einer Reihe weiterer, diesen gleichgestellten Personen (§ 115 StGB).
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen für tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte?
Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
1.1. Tatobjekt: Vollstreckungsbeamte oder Ihnen gleichgestellte Personen
Durch den Straftatbestand sollen Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie Soldaten der Bundeswehr, soweit sie als Vollstreckungsbeamte tätig werden, also im Einzelfall zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen sind, und gemäß § 115 StGB Ihnen gleichgestellte Personen – dazu siehe unten – geschützt werden..
1.1. Was sind Vollstreckungsbeamte
Vollstreckungsbeamte sind Personen, zu deren Aufgabe es gehört, dem in Gesetzen usw. zum Ausdruck kommenden hoheitlichen Willen gegebenenfalls durch Zwang im Einzelfall zur Durchsetzung zu verhelfen. Bosch, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 113 Rn. 10.
Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Vollstreckungsbeamte sich in einer Vollstreckungssituation befinden. Erfasst sind somit – zusätzlich zu den durch § 113 StGB erfassten Vollstreckungshandlungen – auch allgemeine Diensthandlungen wie Streifenfahrten, Vernehmungen, Befragungen oder Unfallaufnahmen.BT-Drs. 18/11161, S. 9.
1.2 Vollstreckungsbeamten gleichstehende Personen (§ 115 StGB)
§ 115 StGB erweitert den persönlichen Schutzbereich der §§ 113, 114 StGB und stellt drei weitere Personengruppen, den Vollstreckungsbeamten gleich.
Insbesondere Jagd- und Fischereiaufseher sind Personen, die nach Abs. 1 ohne Amtsträger zu sein, Rechte und Pflichten von Polizeibeamten haben oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind. Vgl. § 25 Abs. 2 BJagdG, weitere Beispiele bei Bosch, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 115 Rn. 4 ff.
Von Abs. 2 erfasst sind Personen, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind. Beispielhaft genannt sei hier das medizinische Personal bei körperlichen Untersuchungen gem. § 81a StPO oder Mitarbeiter*innen privater Abschleppdienste, die im Auftrag der Polizei Fahrzeuge abschleppen. Dallmeyer, in: BeckOK-StGB, 62. Ed. (Stand: 01.02.2024), § 115 Rn. 3.
Abs. 3 erweitert den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 StGB um die dort genannten professionellen Hilfeleistenden. Zuletzt erweitert um Hilfeleistende des ärztlichen Notdienstes und der Notaufnahme, vgl. dazu Engländer, NStZ 2021, 385 (386).
2. Was ist ein tätlicher Angriff?
Ein tätlicher Angriff ist jede mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten zielende Einwirkung, unabhängig von ihrem Erfolg (BGH NJW 2020, 2347 (2347). Aufgrund der bei Tatbestandserfüllung zwingenden Freiheitsstrafe, denn eine Geldstrafe ist nur bei Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 47 Abs. 2 StGB möglich, wäre wie beim Tatbestand der Körperverletzung zu erwarten, dass die Einwirkung eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten oder eine Eignung zur Rechtsgutsverletzung aufweisen muss, Roggan, KriPoZ 2020, 144 (145); Übersicht bei Dallmeyer, in: BeckOK-StGB, 62. Ed. (Stand: 01.02.2024), § 114 Rn. 5. Tatsächlich nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs eine Einschränkung nicht erforderlich. BGH NJW 2020, 2347 (2347 f.). Offen bleibt bisher, ob ein leichtes Anrempeln oder Schubsen, die tatsächlich zur Verletzung der durch die Norm geschützten individuellen Rechtsgüter der Vollstreckungsbeamten ungeeignet ist, für eine Strafbarkeit, etwa einer Versuchsstrafbarkeit ausreicht. Singelnstein, NJW 2020, 2349. Eine Begrenzung des Tatbestandes wie bei der Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB, nach denen bloße Bagatellen vom Tatbestand auszunehmen sind, ist bisher nicht in Sicht. Rengier, BT II, 25. Aufl. (2024), § 53 Rn. 49.
Beispiel: Ein Streifen oder Anrempeln eines Polizeibeamten: Ein leichtes Anrempeln ohne Verletzungseignung bzw. Erheblichkeit erfüllt nicht den Tatbestand. Ein Anrempeln, welches den Polizeibeamten hinfallen lässt oder schmerzhaft ist, ist strafbar. Ein weiteres Beispiel ist das Anspucken des Polizeibeamten auf die Kleidung – kein tätlicher Angriff, aber eine Beleidigung. Beim Spucken in das Gesicht bei vorhandener Infektionskrankheit – liegt ein tätlicher Angriff, eine gefährliche Körperverletzung und eine Beleidigung vor. Dallmeyer, in: BeckOK-StGB, 62. Ed. (01.02.2024), § 114 Rn. 6; aA LG Fürth NStZ-RR 2021, 169 (170).
Soweit die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB ist, gelten die Regelungen zur Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung gemäß § 114 Abs. 3 StGB entsprechend.
Dies bedeutet, dass alle Lebenssachverhalte, in denen Amtsträger bei Vornahme einer befugten Diensthandlung, insbesondere die Polizei und Zoll bei Kontrollen, Streifenfahrten, auf der Straße, Vollstreckung von Maßnahmen wie Durchsuchung, Sicherstellung, Beschlagnahme, Personenkontrolle, Unfallaufnahmen oder Befragungen, aber auch bei der untätigen Präsenz oder Vollstreckungshandlungen gegenüber Dritten, tätlich angegriffen werden, erfasst werden. Es ist bedarf nämlich im Gegensatz zur Strafbarkeit gemäß § 113 StGB keiner Vornahme einer konkreten Vollstreckungsmaßnahme gegen den Täter. Der Tatbestand ist vielmehr bereits dann erfüllt, wenn durch die Handlung eine unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkung durch einen körperlichen Angriff oder aktive Widerstandshandlungen erfolgt. Nach Auffassung polizeilicher Interessenvertreter soll selbst ein vorsätzliches zur Seite Drängen eines Amtsträgers für die Tatbestandserfüllung genügen. Ein Körperverletzungsvorsatz ist nach der fragwürdigen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung nicht einmal erforderlich.
Der Tatbestand entfällt in diesem Fall nur, wenn die hoheitliche Maßnahme rechtswidrig ist.
Besonders häufig wird der Vorwurf erhoben im Kontext der Fußballfanszene und bei Demonstrationen, wobei es in diesen Fällen meist auf die Auswertung der Videoaufnahmen der Polizei ankommt..
3. Welche Strafe droht bei Feststellung eines tätlichem Angriffs auf Vollstreckungsbeamte
Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte wird je nach den Umständen und Schwere des Angriffs als Vergehen oder Verbrechen eingeordnet. Die Strafandrohung liegt bei Einstufung als Vergehens bei einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und bei Vorliegen eines besonders schweren Falls erstreckt sich der Strafrahmen zwischen mindestens sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Eine Geldstrafe ist gemäß § 47 StGB bei geringfügiger Straferwartung möglich. Letztlich hängt die Straferwartung von der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung, der Schwere des Angriffs, der Verletzungen des Amtsträgers und den Tatumständen im Einzelnen ab.
4. Problematik hohe Strafandrohung
Rechtspolitisch ist wie bei dem besonderen Schutz davon Personen des politischen Lebens gemäß § 188 StGB die Ausweitung der Strafbarkeit bei einem tätlichen Angriff auf einen Amtsträger bereits bei Bagatellhandlungen mit einer empfindlichen Strafe in typischen Konfliktsituationen mit Beamten mit Freiheitsstrafe äußerst problematisch. Dies umso mehr als z.B. bei Demonstrationen wiederholt falsche Anzeigen durch Polizeibeamte gestellt wurden, die rechtswidrig Gewalt gegen Unbeteiligte und Demonstranten ausübten.
Denn wer als Normalbürger eine Person absichtlich anrempelt oder drängelt, so dass diese hinfällt und dabei deren Verletzung billigend in Kauf nimmt, hat, soweit das Verfahren nicht im Vorverfahren mangels öffentlichen Interesses oder Verweisung auf den Privatklageweg eingestellt wird, sondern in eine Anklage und eine Hauptverhandlung mündet, schlechtesten Falls mit einem Verfahren wegen einfacher Körperverletzung zu rechnen, welches gegen Geldauflage eingestellt oder mit einer geringen Geldstrafe endet.
Wer dagegen auf einer Demonstration als Teilnehmer oder Zuschauer bei einem Fußballspiel auf für derartige Situationen ausgebildeten Polizisten mit Schutzmontur und Helm zur Seite drängt, muss sich wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten, der mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bedroht ist und von den Staatsanwaltschaften in der Regel mit besonderem Eifer verfolgt wird. Demgegenüber wird Polizeigewalt, Körperverletzungen im Amt, bei dem z.B. Falschaussagen der Beamten den Tatbestand begründen und/oder „zufällig simultan“ die Bodycams der Polizisten ausgefallen sind, eingestellt und kaum verfolgt.
5. Wir verteidigen Sie mit all unserem Wissen und langjährigen Erfahrung
Unser Team von Strafverteidigern und Strafverteidigerinnen hat in zahlreichen Fällen für unsere Mandanten, die sich des Vorwurfs des Widerstands oder tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamten erwehren mussten, erfolgreich Freisprüche, Einstellungen oder notfalls möglichst geringe Strafen erreicht.
Im MIttelpunkt der Verteidigung steht dabei häufig, dass die Diensthandlungen rechtswidrig waren oder die Beweislage unzureichend ist. In anderen Fällen kann eine Anklage durch eine Einstellung gegen Auflage verhindert werden. Oberstes Ziel ist die Verhinderung einer Anklage und damit einer Bestrafung.
Keine Aussage bei Vorladung: Schweigerecht wahren
Falls Sie eine Vorladung im Zusammenhang mit dem Verdacht des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte erhalten, empfehlen wir dringend, von Ihrem Recht auf Schweigen Gebrauch zu machen. Kontaktieren Sie uns, bevor Sie Aussagen machen. Eine Vorladung bedeutet nicht, dass Sie verpflichtet sind, auszusagen. Wir können den Termin umgehend absagen und Akteneinsicht beantragen. Anschließend stimmen wir mit Ihnen eine Strategie ab und versuchen das Verfahren schriftlich ohne Gerichtsverhandlung und Bestrafung abzuschließen.
