StGB § 46, BtMG § 29, § 31: Verurteilungsfolge Trennung der Familie keine Strafmilderng
BGH, Urt. v. 19.05.2010 - 2 StR 102/10 = BeckRS 2010, 13549
Die Trennung des Angeklagten von seiner in Deutschland lebenden Familie ist eine zwangsläufige Folge der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und als solche kein die Strafe mildernder Gesichtspunkt.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 25. September 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte - vom Generalbundesanwalt vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt; sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Allerdings ist die Revision nicht erfolgreich, soweit sie eine fehlerhafte Anwendung des § 31 BtMG a.F. rügt. Das Landgericht hat aus den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen den Schluss gezogen, dass der Angeklagte "zu einer sicheren Überführung des Mitangeklagten beigetragen und die zügige Erhebung der Anklage, in der die Angaben des Angeklagten Y. als Beweismittel aufgeführt sind, im vorliegenden Verfahren erleichtert hat (UA 45)".
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist entgegen der Auffassung der - insoweit vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen - Revision nicht erforderlich, dass die Tat ohne die Angaben des Angeklagten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt worden wäre. Vielmehr reicht es für die Annahme eines Aufklärungserfolges aus, wenn die Angaben eines Angeklagten - wie hier - eine sichere Grundlage für den Nachweis der betreffenden Taten der belasteten Person schaffen (BGH StV 2000, 623; 1991, 66, 67).
Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt (UA 28), dass der Angeklagte in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung "Angaben zu der bisher nicht in diesem Umfang bekannten Rolle des Angeklagten M. bei der Vorbereitung und Planung des Geschäfts" gemacht hat, was einen weiteren eigen-ständigen Aufklärungserfolg dokumentiert. In diesem Zusammenhang steht die Erwägung der Revision, der Angeklagte habe mit den Angaben zum Mitangeklagten M. lediglich seinen eigenen Tatbeitrag hinsichtlich der subjektiven Seite herunterspielen wollen, der Anwendung des § 31 BtMG nicht entgegen. Denn § 31 Nr. 1 BtMG setzt keine bestimmte Aufklärungsmotivation voraus, sondern stellt nach seinem Sinn und Zweck allein auf das Vorliegen eines objektiven Aufklärungserfolges ab (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 5; BGH StV 1991, 67; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 149).
2. Jedoch rügt die Revision der Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung im engeren Sinn nicht anerkannte Strafzumessungsgründe strafmildernd herangezogen hat.
Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten die Trennung von seiner Familie durch die Verurteilung berücksichtigt. Umstände, die insoweit eine besondere über das normale Maß hinausgehende Haftempfindlichkeit belegen würden, hat es nicht dargelegt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Die Trennung des Angeklagten von seiner in Deutschland lebenden Familie ist eine zwangsläufige Folge der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und als solche kein die Strafe mildernder Gesichtspunkt.
Die Strafkammer hat darüber hinaus fehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich bereits länger als sechs Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Der Vollzug der Untersuchungshaft an sich darf jedoch nicht mildernd berücksichtigt werden (vgl. Senat BGH NJW 2006,2645 m.w.N.; BGH 5 StR 456/08, insoweit in NStZ 2009, 202 nicht abgedr.). Dass der Täter in der zur Verhandlung anstehenden Sache Untersuchungshaft erlitten hat, ist bei der Verhängung der Freiheitsstrafe regelmäßig ohne Bedeutung, da die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Zusätzliche, den Angeklagten besonders beschwerende Umstände im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft hat das Landgericht nicht festgestellt.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafe auf den fehlerhaften Strafzumessungserwägungen beruht.
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