StGB § 263 Abs. 3 Gewerbsmäßiges Handeln bei Betrugstaten

BGH, Urt. v. 19.10.2020 – 1 StR 344/20

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 29. Oktober 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1.  Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 17. Juli 2020 in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. B. 1. bis 482. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Umfang der Vermögensschäden aufrechterhalten.

2.  Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3.  Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Computerbetruges in 482 Fällen und wegen unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Da- neben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 76.057,45 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1.  Die Strafzumessung hält bezüglich der Taten, zu deren Ahndung das Landgericht den erhöhten Strafrahmen für besonders schwere Fälle zugrunde gelegt hat, der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand:

Das Landgericht hat in sämtlichen – zu Lasten der D.

GmbH begangenen – Computerbetrugsfällen, in denen der eingetretene Schaden über 25 € lag, auf der Grundlage des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit die Einzelstrafen aus dem Strafrahmen für besonders schwere Fälle bestimmt (§ 263a Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 StGB). Nach den Urteilsfeststellungen übertrug der Angeklagte indes mehrere der erschlichenen ʺOnlineticketsʺ ohne Gegenleistung an andere (UA S. 8). Damit ist die Gewerbsmäßigkeit in solchen Fällen nicht belegt.

a)  Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2019 – 4 StR 37/19 Rn. 22 und vom 19. Dezember 2007 – 5 StR 543/07 Rn. 5; jeweils mwN). Gewerbsmäßigkeit setzt daher stets – im Unterschied zu den Voraussetzungen des Betrugstatbestandes – eigennütziges Handeln und damit tätereigene Einnahmen voraus (BGH aaO). Zwar ist das Erstreben von Geldmitteln nicht unbedingt erforderlich; so kann es etwa genügen, dass der Täter die Tatbeute für sich verwendet, indem er sie zur Deckung eigener Bedürfnisse einsetzt und eigene Aufwendungen erspart (Fischer, StGB, 67. Aufl., vor § 52 Rn. 62). Aber auch dann ist für die Annahme einer gewerbsmäßigen Begehungsweise erforderlich, dass der Täter die Nutzungsvorteile erzielt. Sollte der Angeklagte in den Schenkungsfällen allein fremdnützig, insbesondere auf Weisung und im Interesse der Beschenkten ge- handelt haben, würde dies das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit ausschließen.

b)  Da Feststellungen dazu fehlen, in welchen Fällen der Angeklagte die Fahrkarten kostenlos übertrug, sind sämtliche Einzelstrafen in den Betrugsfällen mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben. Die Schadenshöhen sind hingegen nicht vom Rechtsfehler betroffen und bleiben aufrechterhalten. Die Umsatzsteuer ist in den Verkehrswert miteinzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2018 – 3 StR 352/18 Rn. 5; Beschluss vom 30. Mai 2017 – 3 StR 136/17). Um dem nunmehr zur Strafzumessung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafenbildung zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche Strafen für die Betrugstaten auf.

2.  Vom Rechtsfehler unberührt bleiben das gänzlich anders gelagerte Aufenthaltsdelikt und die Einziehungsentscheidung: Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht insoweit die Einziehung des Wertes der Beförderungsansprüche angeordnet (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB). Der Angeklagte er- langte die Inhaberschaft an den Bahntickets, ohne die hierfür erforderliche Gegenleistung aufzubringen.