StGB § 146 Keine Gewerbsmäßigkeit bei Verschaffung großer Falschgeldmenge in einem Akt

BGH, Beschl. v. 02.02.2011 – 2 StR 511/10 - NJW 2011, 1686 = StV 2011, 365

LS: Der Täter handelt nicht gewerbsmäßig im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 StGB, wenn er sich eine Falschgeldmenge in einem Akt verschafft hat und diese Menge dann plangemäß in mehreren Teilakten in Verkehr bringt. 

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts -zu Ziff. 1a) und d) auf dessen Antrag -am 2. Februar 2011 gemäß §§ 206a, 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 1. Juli 2010

a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Insoweit wird das Verfahren eingestellt; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen insofern der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen II. 1. und 3. jeweils einer Geldfälschung schuldig ist;

c) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben in den Fällen II. 1. und 3. sowie im Gesamtstrafenaus­spruch; 

d) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz aufgehoben, soweit ein 8.500 € übersteigender Betrag für verfallen erklärt worden ist. 

2. Im Umfang der Aufhebung zu 1. c) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weite­ren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheits­strafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es den Wertersatzverfall von 20.000 € angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in dem aus dem Tenor ersichtli­chen Umfang Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte im September 2009 zusammen mit einem Mittä­ter in Neapel Falschgeld im Nennwert von 50.000 € zum Preis von 20 % des Nennwerts. Gemeinsam brachten sie das Falschgeld in Deutschland teils durch Weiterverkauf an bösgläubige Aufkäufer, teils in Form von Barzahlungen an gutgläubige Dritte in Verkehr. Der Angeklagte erlöste auf diese Weise 8.500 € (Fall II. 1.). Ende Oktober 2009 kam es zu einer weiteren Fahrt nach Neapel, bei der Falsifikate im Nennwert von 85.000 € eingekauft, nach Deutsch­land eingeführt und in zuvor beschriebener Weise in mehreren Tranchen in Verkehr gebracht wurden. Hierdurch erlöste der Angeklagte insgesamt 11.500 € (Fall II. 2.). Im Januar 2010 überredete der Mittäter den Angeklagten, der nach der Einkaufsfahrt im Oktober 2009 unmissverständlich darauf hingewiesen hatte, dass er "die Schnauze voll habe" und keine weiteren Unternehmungen dieser Art mehr wünsche, zu einer letzten Fahrt nach Neapel, wo sie

Falsifikate im Nennwert von 210.290 € erwarben. Auf der Rückreise erfolgte ihre Festnahme und die Sicherstellung des Falschgeldes (Fall II. 3.).

2. Die Strafkammer hält das Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit in allen drei Fällen für gegeben. Zwar lasse sich nicht feststellen, dass der Angeklagte bereits im Vorfeld der ersten Reise nach Italien weitere Beschaf­fungsfahrten ins Auge gefasst hätte; allerdings habe er von Beginn an beabsichtigt, seinen Anteil an dem Falschgeld über einen längeren Zeitraum hinweg in einzelnen Tranchen als echt in den Verkehr zu bringen. Da jede dieser Handlungen für sich genommen den Tatbestand des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfülle und lediglich aufgrund des zuvor erfolgten Sich-Verschaffens nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur eine Tat im Rechtssinne vorliege, habe von vornherein die Absicht einer wiederholten Geldfälschung vorgelegen.

II.

1. Die Verurteilung im Fall II. 2. wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jah­ren hat keinen Bestand. Insoweit fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung eines rechtswirksamen Eröffnungsbe­schlusses. Wegen dieses Tatvorwurfs hat die Staatsanwaltschaft Gießen am 1. Juli 2010 in laufender Hauptverhand­lung Nachtragsanklage erhoben. Die große Strafkammer hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulas­sung dieser Anklage nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen entschieden, da die Beschlussfassung während der Hauptverhandlung in der gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierten Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen erfolgte. In dieser Besetzung war die Straf­kammer jedoch nicht zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens berufen (BGHSt 50, 267, 269). Damit besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das zur Aufhebung des Urteils im Fall II. 2. und insoweit zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a Abs. 1 StPO führt (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2008 - 2 StR 142/08). Damit entfällt die für diesen Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren. 

2. Auch die Würdigung der Fälle II. 1. und 3. des Urteils durch die Strafkammer als gewerbsmäßig begangene Geld­fälschungen gemäß § 146 Abs. 2 StGB hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. 

a) Zwar hat das Landgericht im Fall II. 1. zu Recht eine einheitliche Geldfälschung nach § 146 Abs. 1 StGB ange­nommen; denn die Verwirklichung mehrerer Varianten des § 146 Abs. 1 StGB - hier das "Sich-Verschaffen" des Falschgeldes in einem Akt und das anschließende "Als echt in den Verkehr bringen" durch mehrere Handlungen -sind in der Regel eine Tat (Fischer, StGB 58. Aufl. § 146 Rn. 22). Der Angeklagte handelte hierbei jedoch nicht gewerbsmäßig: Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt. Eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im Grundsatz nicht notwendig voraus, dass der Täter zur Gewinnerzielung mehrere selbständige Einzeltaten der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt hat, beurteilt sich vielmehr nach seinen ursprünglichen Planungen sowie seinem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihm anzulastenden Tatzeitraum (vgl. BGH NJW 2004, 2840, 2841; NStZ-RR 2006, 106, 107). Erforderlich ist dabei stets, dass sich seine Wiederholungsabsicht auf dasjenige Delikt bezieht, dessen Tatbestand durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert ist (vgl. BGH NJW 1996, 1069; Fischer aaO Vor § 52 Rn. 62). Nach diesen Maßstä­ben liegt eine gewerbsmäßig begangene Straftat nach § 146 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB dann nicht vor, wenn der Täter sich eine Falschgeldmenge in einem Akt verschafft und seine Absicht darauf gerichtet ist, die falschen Bankno­ten in mehreren Teilmengen im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Verkehr zu bringen, es hierzu aber nicht kommt (BGH NStZ 2009, 3798; Fischer aaO S. 146 Rn. 31). Gleiches gilt, wenn es dem Täter -wie hier - tatsächlich gelingt, die in einem Akt erworbene Falschgeldmenge sukzessive in Umlauf zu bringen. Die besondere Qualifikation einer gewerbsmäßig begangenen Straftat ergibt sich nämlich nicht daraus, dass der Täter durch die - gegebenenfalls sukzessive erfolgende - Verwertung des durch die Straftat erlangten Gegenstands eine Gewinnerzielung zur Finan­zierung seiner Bedürfnisse anstrebt (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2004, 335). Vielmehr handelt der Täter einer Geld­fälschung nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann gewerbsmäßig im Sinne des § 146 Abs. 2 StGB, wenn er beab­sichtigt, sich die erstrebte Einnahmequelle gerade durch das wiederholte "Sich-Verschaffen" von Falschgeld in der Absicht zu erschließen, es als echt in den Verkehr zu bringen. In der bloßen Weiterverbreitung des nicht gewerbsmä­ßig verschafften Falschgeldes liegen nur weitere Teilakte einer tatbestandlichen Handlungseinheit, die nicht geeignet sind, das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nach § 146 Abs. 2 StGB zu begründen (ebenso zur gewerbsmäßigen Heh­lerei BGH, Urteil vom 19. Juni 1952 -5 StR 491/52, zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei BGH, Urteil vom 4. Sep­tember 1952 - 5 StR 51/52 und zum gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1978 -2 StR 480/78 sowie StV 1993, 248; anders BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1992 -1 StR580/92). Da es im Übrigen auch den Normalfall darstellt, dass beim Handel mit illegalen Waren der Weiterverkauf in Teilmengen erfolgt, würde andernfalls bereits der "Normaltäter" des Grunddelikts in aller Regel unter die Qualifika­tionsstrafdrohung der Gewerbsmäßigkeit fallen (vgl. Winkler, juris PR-StrafR 24/2009 Anm. 1).

b) Im Fall II. 3. der Urteilsgründe hat das Landgericht außer Acht gelassen, dass der Angeklagte bereits nach der vorangegangenen Neapel-Reise erklärt hatte, sich an keinen weiteren Einkaufsfahrten mehr beteiligen zu wollen. Dass es dem Mittäter gleichwohl gelang, den Angeklagten noch einmal zu einer weiteren -einmaligen -Beschaf­fungsfahrt zu überreden, begründet kein gewerbsmäßiges Handeln in der Person des Angeklagten. 

3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die in den Fällen II. 1. und 3. ein gewerbsmäßiges "Sich-Verschaffen" von Falschgeld durch den Angeklagten tragen würden; er ändert deshalb selbst den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Dies hat den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zur Folge. 

4. Der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz kann nach der Einstellung des Falles II. 2. der Urteilgründe nur insoweit Bestand haben, als die Strafkammer in Bezug auf Fall II. 1. die Voraussetzungen für den Fall von Werter­satz in Höhe eines Betrages von 8.500 € festgestellt hat. 

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