StPO § 100g Abs. 1 Vorratsdatenverwertung im Übergangsrecht nach BVerfG

StPO § 100g Abs. 1 Vorratsdatenverwertung im Übergangsrecht nach BVerfG

BGH, Beschl. v. 04.11.2010 – 4 StR 404/10 - NJW 2011, 467

LS: Zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer während der Geltungsdauer einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach deren einschränkenden Vorgaben gerichtlich an­geordneten und vollzogenen Ermittlungsmaßnahme (hier: Anforderung und Übermittlung von Te­lekommunikations-Verkehrsdaten), wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Hauptsacheentscheidung die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Ermittlungsmaßnahme feststellt. 

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 4. November 2010 gemäß §§ 206a Abs. 1, 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1, 357 StPO beschlos­sen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten -D. und R. wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 7. Dezember 2009 a) aufgehoben, soweit der Angeklagte R. und der frühere Mitangeklagte S. im Fall II. 1 der Urteilsgründe (jeweils wegen Diebstahls) verurteilt worden sind; in diesem Umfang wird das Verfahren eingestellt;  b) soweit es die Angeklagte -D. und den früheren Mitangeklagten S. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten in den Fällen II. 54 und II. 55 nur eines Computerbetruges schuldig sind; die im Fall II. 55 der Ur­teilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen;  c) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass die Angeklagte -D. des Diebstahls in einunddreißig und des Computerbe­truges in sechs Fällen, der Angeklagte R. des Diebstahls in neunzehn und des Computerbetruges in zwei Fällen so­wie der frühere Mitangeklagte S. des Diebstahls in siebenundfünfzig und des Computerbetruges in neun Fällen schuldig sind; d) hinsichtlich des Angeklagten R. aufgehoben, soweit über den Betrag von 13.862,43 € hinaus festgestellt ist, dass der Verfall des Wertersatzes wegen entgegen stehender Ansprüche von Verletzten unterbleibt und soweit der Um­fang des aus den Taten Erlangten über diesen Betrag hinaus bezeichnet ist; die weiter gehenden Feststellungen ent­fallen.

2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten R. entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskas­se zur Last, soweit das Verfahren eingestellt worden ist. Die Angeklagte -D. hat die Kosten ihres, der Angeklagte R. die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.  Gründe: Das Landgericht hat die Angeklagte -D. des Diebstahls in 31 Fällen sowie des Computerbetruges in sieben Fällen, den Angeklagten R. des Diebstahls in 20 Fällen sowie des Computerbetruges in zwei Fällen und den früheren Mitan­geklagten S. des Diebstahls in 58 Fällen sowie des Computerbetruges in zehn Fällen schuldig gesprochen. Es hat jeweils Gesamtfreiheitsstrafen verhängt, gegenüber der Angeklagten -D. eine solche von drei Jahren und drei Mona­ten, gegenüber dem Angeklagten R. eine solche von zwei Jahren und sechs Monaten sowie gegenüber dem früheren Mitangeklagten S. eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und – unter Einbeziehung der Strafen aus einem ande­ren Urteil – eine weitere von vier Jahren und sechs Monaten. Ferner hat es festgestellt, dass die Angeklagte -D. aus den Taten insgesamt 3.420,66 € bzw. der Angeklagte R. insgesamt 19.730,21 € erlangt haben und nur deshalb nicht auf den Verfall des Wertersatzes erkannt worden ist, weil dem die Ansprüche der in den Urteilsgründen im Einzel­nen aufgeführten Verletzten entgegenstehen. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die Angeklagte -D. beanstandet ferner das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; soweit die Fälle II. 1, II. 54 und II. 55 der Urteilsgrün­de betroffen sind, ist die Entscheidung gemäß § 357 StPO auch auf den früheren Mitangeklagten S. zu erstrecken, der nicht Revision eingelegt hat. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verübte der frühere Mitangeklagte S. , zunächst ab Februar 2004 gemeinsam mit dem Angeklagten R. und spätestens ab Februar 2008 gemeinsam mit der Angeklagten -D. , zahlreiche Einbruchsdiebstähle, im Wesentlichen in öffentliche Gebäude wie Kindergärten, Schulen oder kirchliche Einrichtungen. Jeweils einer der beiden Angeklagten hatte die Aufgabe, S. zum Tatort zu fahren und diesen zu si­chern, während S. in die jeweiligen Tatobjekte einbrach. Die Angeklagten sorgten in den Fällen, in denen sie betei­ligt waren, auch für den Absatz der Beute, wobei der Verkaufserlös mit S. geteilt wurde. Während der Ausführung der einzelnen Taten stand S. mit R. bzw. -D. über Mobiltelefone in ständiger Verbindung, um gegebenenfalls unver­züglich gewarnt werden zu können. In den Fällen, in denen EC-Karten mit den zugehörigen PIN aus den Gebäuden entwendet wurden, hoben S. und der jeweils tatbeteiligte Angeklagte entweder gemeinsam oder einer allein im An­schluss mit den erbeuteten Karten Geld an Bankautomaten ab. 

II. Die Verurteilung wegen Diebstahls im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil insoweit Verjährung eingetreten ist; dies führt zur Verfahrenseinstellung gemäß § 206a Abs. 1 StPO. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 31. August 2010 zutreffend ausgeführt hat, war der Haftbefehl vom 10. Februar 2009 nicht geeignet, eine Unterbrechung der Verjährungsfrist herbeizuführen, da er lediglich Taten aus dem Jahr 2008 betraf, nicht aber die Tat vom 14. Februar 2004 (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Zu einer vorherigen Unterbrechung (§ 78c StGB) der gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 i.V.m. §§ 242, 243 StGB fünf Jahre betragenden Verjährungsfrist ist es nicht gekommen. Das Verfahren wegen dieses Diebstahls wurde mit Verfügung vom April 2004 eingestellt, weil kein Täter ermittelt werden konnte (Fallakte 1, Bl. 17). Erstmals aufgrund der geständigen Einlassung des früheren Mitangeklagten S. vom 9. März 2009 (Bd. "Vernehmungen", Bl. 3114, 3117) wurden die Ermittlungen zu dieser Tat wieder aufgenommen und die betreffende Verfahrensakte mit Verfügung vom 11. Mai 2009 (Bd. I c, Bl. 860) ange­fordert. Die deswegen gemäß § 206a Abs. 1 StPO gebotene teilweise Einstellung des Verfahrens, die gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 340; vom 16. September 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208 und vom 9. Januar 1987 – 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239 m.w.N.; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 357 Rn. 8; Kuckein in KK, StPO, 6. Aufl., § 357 Rn. 7; Wiedner in Graf, StPO, § 357 Rn. 6, jeweils m.w.N.), führt zu einerÄnderung des Schuldspruchs. Im Hinblick auf die Anzahl und die Höhe der jeweils verbleibenden Einzelfreiheits­strafen schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die im Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheits­strafen von sechs (R.) bzw. acht (S.) Monaten geringere Gesamtfreiheitsstrafen verhängt hätte. Diese können deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO bestehen bleiben.

III. Die Angeklagte -D. macht mit einer Verfahrensrüge geltend, die Beweiswürdigung des Landgerichts beruhe unter anderem auf der Auswertung von Verkehrsdaten über Telekommunikationsvorgänge im Sinne der §§ 96, 113a TKG. Diese seien jedoch auf einer gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BVerfGG nichtigen Rechtsgrundlage von den Telekommunikationsdiensteanbietern übermittelt worden, da das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08 u.a., JZ 2010, 611 m. Anm. Ohler JZ 2010, 626 und Anm. Klesczewski JZ 2010, 629) entschieden habe, § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO verstoße gegen Art. 10 Abs. 1 GG, soweit es um die Erhebung von Verkehrsdaten gemäß § 113a TKG gehe. Auf diesem Verfahrensverstoß beruhe das angefochtene Urteil, da die ge­ständigen Einlassungen der Angeklagten teilweise sehr allgemein gehalten gewesen seien und der frühere Mitange­klagte S. die Täterschaft im Fall II. 65 der Urteilsgründe bestritten habe. 

 
 

1. Die Rüge ist nicht in der § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben. Die Revision hat den der Da­tenerhebung zu Grunde liegenden amtsgerichtlichen Beschluss nicht mitgeteilt. Dies war auch nach der Entschei­dung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 nicht entbehrlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Aus­führungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 31. August 2010 Bezug genommen.

 

2. Die Rüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Das Landgericht war weder aus Gründen des einfa­chen Rechts noch von Verfassungs wegen gehindert, aus den erhobenen Daten Erkenntnisse zu gewinnen und für die Beweiswürdigung zu verwerten. a) Das Amtsgericht Münster hat seinen Beschluss vom 16. Januar 2009 rechtsfehlerfrei auf § 100g Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermitt­lungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) nach Maßgabe der bis zur Entscheidung in der Hauptsache und damit im Beschlusszeitpunkt geltenden einstweiligen An­ordnung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 11. März 2008 – 1 BvR 256/08, BGBl. I S. 659; BVerfGE 121, 1) und der dort getroffenen (einschränkenden) Übergangsregelung gestützt.  aa) Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dies umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Befugnis, im Wege einer solchen einstweiligen Anordnung das Inkrafttreten eines Gesetzes hinauszuzögern, ein bereits in Kraft getretenes Gesetz – ganz oder teilweise – wieder außer Kraft zu setzen oder dessen Anwendbarkeit einzuschränken (vgl. nur BVerfGE 104, 23, 27 f.; 112, 284, 292; 117, 126, 135; 122, 342, 361 f.; BVerfG, Beschluss vom 14. September 2010 – 1 BvR 872/10, Tz. 2). Wird eine gesetzliche Regelung, wie im vorliegenden Fall, durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig modifiziert, bedeutet dies für die Zeit ihrer Geltung regelmäßig eine endgültige Rege­lung der Rechtslage. Eine nachträgliche Korrektur für den Geltungszeitraum der einstweiligen Anordnung scheidet aus (vgl. dazu Graßhof in Maunz, BVerfGG, § 32 Rn. 8 f. [Stand: Juli 2002] m.w.N.; Volkmer NStZ 2010, 318, 320). Zwar wird die Gesetzeskraft einer solchen Entscheidung, anders als bei der Hauptsacheentscheidung (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG), nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet; eine der Gesetzeskraft zumindest entsprechende Wir­kung der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG angeordneten Anwendungseinschränkung ergibt sich aber – für die Geltungs­dauer der Anordnung – aus ihrer Funktion als Modifikation eines Gesetzes im formellen Sinne und wird vom Bun­desverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 – 2 BvR 1012/01, NJW 2004, 279, Tz. 15 zur Zulässigkeit der Informationsweitergabe gem. § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10auf der Grundlage einer im Wege einstweiliger Anordnung ausgesprochenen Übergangsregelung trotz in der Haupt­sacheentscheidung festgestellter Unvereinbarkeit mit Art. 10 GG). Dementsprechend ordnet das Bundesverfassungs­gericht bei Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in die Geltung eines Gesetzes eingreift, regelmäßig die Veröf­fentlichung der Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt an; dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen (vgl. BGBl. I 2008 S. 659).  bb) Die Verkehrsdaten wurden im vorliegenden Fall in Übereinstimmung mit den einschränkenden Vorgaben der ergangenen einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) übermittelt und konnten deshalb im angefochtenen Urteil verwertet werden. Aus der Entscheidungsformel der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) ergibt sich, dass eine Verpflichtung zur Datenübermittlung an die ersuchende Behörde auf Grund eines Beschlusses nach § 100g Abs. 1 StPO für die Dauer der Geltung der Anordnung nur bestand, wenn Gegenstand des Ermittlungs­verfahrens eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO war und die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorlagen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, sind diese Maßgaben im vorliegenden Fall ein­gehalten worden. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom 16. Januar 2009 wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts schwerer Bandendiebstähle gemäß § 244a StGB ermittelt; diese Straftat ist Katalogtat gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO. 

b) Eine andere rechtliche Beurteilung der gerichtlich angeordneten Übermittlung der entscheidungserheblichen Ver­kehrsdaten ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in der am 2. März 2010 ergangenen Hauptsacheentscheidung die §§ 113a, 113b TKG sowie § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 GG teilweise für nichtig erklärt hat. Die ex-tunc-Wirkung dieser Entscheidung lässt die selbständige Legiti­mierungsfunktion der einstweiligen Anordnung im Rahmen der dort näher umschriebenen einschränkenden Maßga­ben als sog. normvertretendes Übergangsrecht (vgl. dazu Graßhof aaO, § 32 Rn. 8, 190; Berkemann in Mitarbeiter­kommentar zum BVerfGG, 2. Aufl., § 32 Rn. 369 f.) unberührt. Dies ergibt sich im Übrigen auch unmittelbar aus den Gründen des Urteils vom 2. März 2010: Das Bundesverfassungsgericht hat eine sechsmonatige anlasslose Spei­cherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten – für eine qualifizierte Verwendung – im Rahmen der Strafverfol­gung nicht für schlechthin unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 GG angesehen (BVerfG aaO, S. 615, Tz. 213). Es hat ferner ausgeführt, dass lediglich die aufgrund der einstweiligen Anordnung erhobenen, aber einstweilen nicht an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Verkehrsdaten unverzüglich zu löschen sind und nicht an die Behörden übermittelt werden dürfen (BVerfG aaO, S. 623, Tz. 306). Auf diejenigen Verkehrsdaten, die unter den Vorgaben der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) bereits übermittelt wurden, bezieht sich das Gebot der unverzüglichen Löschung gerade nicht.

IV. Die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen haben jeweils einen geringen Teilerfolg. 

1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle II. 54 und II. 55 der Urteilsgründe ist fehlerhaft.

a) Nach den Feststellungen begaben sich die Angeklagte -D. und der frühere Mitangeklagte S. am frühen Morgen des 7. November 2008 in die Volksbank in S., wo S. mit einer der in der Nacht zuvor gestohlenen EC-Karten zweimal, um 03:01:35 Uhr und um 03:03 Uhr, Geld bei ein und demselben Geldautomaten abhob. Das erbeutete Bargeld wur­de später geteilt. Da bei den zeitlich aufeinander folgenden Abhebungen weder die Bankfiliale noch die Karte ge­wechselt wurde, stehen die Taten in natürlicher Handlungseinheit (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2001 – 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595; vom 21. November 2002 – 4 StR 448/02 und vom 27. April 2010 – 4 StR 112/10). Somit ist lediglich von einer Tat des Computerbetruges auszugehen. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für den Fall II. 55 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe. Da der nicht revidierende Mitangeklagte S. sämt­liche Tatbestandsmerkmale in eigener Person erfüllt hat, ist die Entscheidung insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf ihn zu erstrecken (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04, BGHR StPO § 357 Entschei­dung 2; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841).

b) Einer Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafen bedarf es nicht. Durch die Zusammenfassung mehrerer Taten zu jeweils einer einzigen Tat ändert sich deren Schuldgehalt nicht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2010 – 4 StR 592/09 und vom 3. August 2010 – 4 StR 157/10). Der Senat schließt daher vor dem Hintergrund der Anzahl und der Höhe der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen aus, dass die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses niedriger ausgefallen wären.

c) Aus Gründen der Klarstellung hat der Senat den Schuldspruch insgesamt neu gefasst.

2. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand, soweit das Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO die Feststellung ausgesprochen hat, dass der Angeklagte R. aus den seiner Verurteilung zu Grunde lie­genden Taten einen Geldbetrag von insgesamt 19.730,21 € erlangt hat und dieser Betrag dem Wertersatzverfall nicht unterliegt, da Ansprüche Verletzter entgegenstehen.

a) Im Grundsatz rechtsfehlerfrei hat das Landgericht im Urteilstenor zu-nächst (allein) den Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag bezeichnet, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt (vgl. dazu eingehend Senatsurteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, z. Ve­röff. in BGHSt best.). Das Landgericht hat, insoweit ebenfalls rechtsfehlerfrei, nach den getroffenen Feststellungen eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten R. angenommen (vgl. dazu ebenfalls Senatsurteil vom 28. Ok­tober 2010 – 4 StR 215/10) und ist dabei zutreffend von einem Betrag in Höhe von insgesamt 23.934,69 € ausgegan­gen, den dieser aus den seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Taten erlangt hat. Die in den Urteilsgründen in Anwendung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB vorgenommene Minderung des Erlangten bzw. des Geldbe­trages, der dem Wert des Erlangten entspricht, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden; es entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten ist (Senatsurteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10 m.w.N.). Gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB hat die Strafkammer nur die Werte (in Höhe von insgesamt 19.730,21 €) berücksichtigt, die sich noch im Vermögen des Angeklagten befanden. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

b) Das Landgericht hat jedoch übersehen, dass die Regelung des § 111i Abs. 2 StPO auf die Fälle II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe nicht anwendbar ist. Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2350) geschaffen worden und am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ihrer Anwendung auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 StGB entgegen, wonach insoweit das mildere alte Recht gilt (BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 – 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093 f.; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56; Beschluss vom 18. Dezember 2008 – 3 StR 460/08, wistra 2009, 241; BGH, Beschluss vom 12. August 2010 – 4 StR 293/10). Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden die Taten in den Fällen II. 1 bis II. 8 der Urteilsgründe im Zeit­raum vom Februar 2004 bis August 2006 begangen und waren vor dem 1. Januar 2007 beendet. In diesen Fällen hat der Angeklagte insgesamt einen Betrag in Höhe von 5.867,78 € erlangt. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zieht der Senat diese Summe von dem Betrag von 19.730,21 € ab.

c) Eine Erstreckung auf den Nichtrevidenten S. kommt hier nicht in Betracht (vgl. zur Anwendbarkeit des § 357 StPO im Rahmen des § 111i Abs. 2 StPO ebenfalls Senatsurteil vom 28. Dezember 2010 – 4 StR 215/10). Der auf­gezeigte Rechtsfehler hat sich nicht zu dessen Nachteil ausgewirkt (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 1988 – 4 StR 297/88, NStZ 1989, 113, 114; Kuck-ein aaO § 357 Rn. 16 m.w.N.). Das Landgericht hat den Betrag, den der Nichtrevident S. aus den seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Taten erlangt hat, rechtsfehlerfrei mit 61.764,48 € errechnet. Es hat gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aber nur einen Betrag in Höhe von 6.200 € in Ansatz gebracht. Der Senat kann somit ausschließen, dass sich der oben aufgezeigte sachlich-rechtliche Fehler bei der Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zum Nachteil des S. ausgewirkt hat. 

3. Der nur geringe Teilerfolg der Revisionen rechtfertigt es nicht, die Angeklagten nach § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch ihre Rechtsmittel entstandenen (verbleibenden) Kosten und Auslagen freizustellen.

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