StPO §§ 302 Abs. 1 S. 2, 257c, 261 – Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nach informeller Verständigung und Nichtigkeit des Urteils

StPO §§ 302 Abs. 1 S. 2, 257c, 261 – Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nach informeller Verständigung und Nichtigkeit des Urteils

OLG München, Beschl. v. 17.05.2013 – 2 Ws 1149, 1150/12 – StV 2013, 495 m. Anm. Förscher
LS: Ein Urteil, das auf einer informellen Verständigung außerhalb der hierfür vorgesehenen Regeln nach § 257c StPO beruht, kann ausnahmsweise dann nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern gänzlich nichtig und unwirksam sein, wenn das Gericht über die Außerachtlassung der formellen Offenlegungs-, Dokumentations-, Hinweis- und Belehrungspflichten hinaus trotz offensichtlich erforderlicher weiterer Aufklärung die getroffene Verständigung allein auf der Grundlage der erkennbar ungenügenden Erklärung des Angeklagten in Urteilsform umsetzt, ohne sich über deren sachliche Richtigkeit ein »eigenes Urteil« gebildet zu haben. (amtl. Leitsatz) Ein Urteil, das auf einer informellen Verständigung außerhalb der hierfür vorgesehenen Regeln nach § 257c StPO beruht, kann ausnahmsweise dann nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern gänzlich nichtig und unwirksam sein, wenn das Gericht über die Außerachtlassung der formellen Offenlegungs-, Dokumentations-, Hinweis und Belehrungspflichten hinaus trotz offensichtlich erforderlicher weiterer Aufklärung die getroffene Verständigung allein auf der Grundlage der erkennbar ungenügenden Erklärung des Angeklagten in Urteilsform umsetzt, ohne sich über deren sachliche Richtigkeit ein »eigenes Urteil« gebildet zu haben. 
 

Aus den Gründen: 

I. Die Staatsanwaltschaft München II erhob geben den Angekl., einen niedergelassenen Neurochirurgen, mit Anklagesehr1ft v. 21.01.2011 Anklage zum SchöG beim AG Weilheim wegen gewerbsmäßig begangenen Betrugs in 13 Fällen, weil er zwischen August 2005 und Juli 2008 für die jeweils vorausgegangenen Quartale gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (künftig: KVB) jeweils bewusst unzutreffende Leistungsabrechnungen eingereicht und hierdurch insgesamt - wie beabsichtigt – unberechtigt 248.054,07 € erlangt haben soll. Zum Nachweis des Vorsatzes des Angekl., der den Tatvorwurf durch sein Verteidiger insbes. in subjektiver Hinsicht bestritten hatte, verwies die StA bereits in der Anklageschrift u.a. darauf, dass der Angekl. der KVB bereits wegen vergleichbarer Falschabrechnungen für die Quartale 4/2002 bis 2/2004 aufgefallen und deshalb im Rahmen eines Disziplinarverfahrens verwarnt worden sei, da damals noch Fahrlässigkeit angenommen wurde. Mit Verteidigerschriftsatz v. 11.02.2011 räumte der Angekl. zwar die objektive Unrichtigkeit seiner Abrechnungen ein und verwies auf die bereits erfolgte Rückzahlung der zu viel erhaltenen Gebühren, bestritt jedoch weiterhin nachdrücklich, vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht gehandelt zu haben, und stellte hierzu verschiedene Beweisanträge. Mit Eröffnungsbeschluss v. 28.04.2011 wurde die Anklage der StA unverändert zur Hauptverhandlung vor dem SchöG zugelassen. Gleichzeitig bestimmte der Vors. Termin zur Hauptverhandlung auf Dienstag, den 24.05.2011, 14.30 Uhr. Die Ladung von Zeugen wurde nicht angeordnet. In der Hauptverhandlung v. 24.05.2011 verlas der Verteidiger ausweislich des Protokolls namens und im Auftrag des Angekl. folgende als Anlage zum Protokoll gegebene Erklärung:
»Die in der Anklageschrift der StA München II v. 21.01.2011 als Beweismittel bezeichneten Urkunden haben mir vorgelegen. Ich bin die Unterlagen gemeinsam mit meinem Verteidiger durchgegangen, die Berechnungen sind insofern zutreffend. Ich habe zwar nicht gewusst, dass meine Abrechnung in den Quartalen II/2005 bis II/2008 unrichtig ist, allerdings hielt ich es für möglich, überhöht abzurechnen «.
Anschließend bestätigte der Angekl. ausweislich des Protokolls die abgegebene Erklärung. Zum angeklagten Sachverhalt weist das Protokoll darüber hinaus lediglich folgende Erklärung des Verteidigers (auf Fragen des Gerichts) aus:
»Zwei Bände IBM (richtig: EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab), 16.000 Möglichkeiten abzurechnen, er hat sich verheddert. Er sagte sich (,)rechne ich ab. jeder Arzt bekommt Honorarbescheid und Berichtigungsbescheid «
Zur unmittelbar anschließend eröffneten Beweisaufnahme vermerkt das Protokoll lediglich, dass der Vors. festgestellt habe, dass im BZR-Auszug v. 02.05.2011 kein Eintrag vorhanden sei und keine weiteren Fragen gestellt wurden, so dass die Beweisaufnahme geschlossen wurde. Nach dem Schlusswort des Verteidigers weist das Protokoll noch folgende Erklärung des Angekl. aus:
»Es tut mir leid. Ich fühle mich von (zu ergänzen: der) kassenärztlichen Vereinigung Bayern im Stich gelassen, wegen der Richtigkeitsbescheinigung. Ich habe mich darauf verlassen. Immer wenn ich eine Bescheinigung bekam und etwas richtig gestellt wurde, habe ich es nicht mehr abgerechnet. Es tut mir furchtbar leid. Ich habe nie absichtlich betrogen. «
Nach dem letzten Wort des Angekl. erging sodann das Urteil, wonach der Angekl. wegen 13 Fällen des Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 J. und 9 M. verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Des Weiteren verkündete der Vors. noch einen Bewährungsbeschluss, wonach die Bewährungszeit auf 3 J. festgesetzt und dem Angekl. auferlegt wurde, binnen 3 M. nach Rechtskraft des Urt. insgesamt 30.000,00 € an 3 im Einzelnen aufgeführte karitative Organisationen zu bezahlen. Abschließend vermerkt das Protokoll: Eine Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt. Vordruck wurde ausgehändigt. D. Angekl. und sein Verteidiger erklärten:
»Ich nehme das Urt. an und verzichte auf Rechtsmittel.« D. Vertreter der StA erklärte: »Ich verzichte auf Rechtsmittel.«
Vorgelesen und Genehmigt. Hinweise auf vorausgegangene oder während der Hauptverhandlung geführte Besprechungen über eine mögliche einvernehmliche Beendigung des Verfahrens oder deren Inhalt enthält das Hauptverhandlungsprotokoll ebenso wenig wie auf die Erteilung entsprechender Belehrungen. Umgekehrt ist dort jedoch auch nicht vermerkt, dass keine derartigen Besprechungen stattgefunden haben. Mehr als ein Jahr später legte der Angekl. mit Schriftsatz seines neuen Verteidigers v. 15.06.2012 gegen das Urt. v. 24.05.2011 Berufung ein und beantragte seine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezüglich der versäumten Berufungsfrist. Das Urt. beruhe auf einer tatsächlich erfolgten Verständigung, die unter bewusster Umgehung der gesetzlichen Vorgaben zustande gekommen sei. Hintergrund sei eine vom Gericht angekündigte Sanktionsschere, wonach der Angekl. ohne Geständnis mit einer Vollzugsstrafe von 3 bis 3 ½ J., mit Geständnis mit einer Bewährungsstrafe von nicht mehr als 2 J. zu rechnen habe. Es sei keine der gesetzlich vorgeschriebenen Belehrungen, insbes. keine qualifizierte Rechtsmittelbelehrung nach § 35a StPO erfolgt. Der erklärte Rechtsmittelverzicht sei daher nach § 302 Abs. 1 S. 2 StPO unwirksam. Die Frist zur Berufungseinlegung habe der Angekl. ohne eigenes Verschulden versäumt. Wie durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung [ ... ] glaubhaft gemacht, habe der Angekl. Sowohl unmittelbar nach der Hauptverhandlung als auch in der darauffolgenden Woche aus Unzufriedenheit mit dem Urt. seinen damaligen Verteidiger mehrmals befragt, ob es möglich sei, das Urt. anzufechten, was dieser jedoch jeweils unter Verweis auf die eingetretene Rechtskraft verneint habe. Erst durch die Erlangung der Akteneinsicht am 08.06.2012 und anschließende Prüfung der Sachlage durch den neuen Verteidiger sei die unzutreffende Rechtsauskunft korrigiert und damit das bestehende Hindernis für die Berufungseinlegung entfallen. Das LG München II verwarf mit Beschl. v. 23.08.2012 die Berufung des Angekl. als unzulässig, weil die Rechtsmittelverzichtserklärungen des Angekl. sowie der StA wirksam gewesen seien und damit Rechtskraft eingetreten sei. Eine Verständigung i.S.d. § 257c StPO habe nicht stattgefunden. Auf andere Fälle der Verständigung sei § 302 Abs. 1 S. 2 StPO weder unmittelbar noch analog anwendbar. Gegen diesen Beschluss, der dem Verteidiger am 26.09.2012 zugestellt worden ist, hat der Angekl. mit Verteidigerschriftsatz v. 28.09.2012, eingegangen am 01.10.2012, sofortige Beschwerde eingelegt, in der er seine Auffassung aufrechterhält und präzisiert. Freibeweislieh ergaben sich folgende Erkenntnisse: Auf Initiative des damaligen Verteidigers des Angekl. fand am 07.04.2011 im Dienstzimmer des Vors. des SchöG eine Besprechung zwischen diesem, dem damaligen Verteidiger des Angekl. sowie dem zuständigen StA statt. Zu dessen Verlauf und Inhalt äußerten sich die beteiligten Personen im Nachhinein wie folgt:
- RA Y. als damaliger Verteidiger des Angekl. im Schreiben v. 13.06.2012 an den neuen Verteidiger des Angekl. (vorgelegt als Anlage 1 zum Berufungsschriftsatz v. 15.06.2012): Am 07.04.2011 wurde dann im Richterzimmer des AG Weilheim ein nach meiner Erinnerung ca. 30- bis 40-minütiges Gespräch zwischen Herrn W (zu ergänzen: Vors. des SchöG), Herrn B. (zu ergänzen: StA) und mir geführt. Herr W gab anknüpfend an die bereits geführten Telefonate zu verstehen, dass nach seiner Spruchpraxis Herrn Dr. X eine Freiheitsstrafe von ca. 3 bis 3 1/2 drohen würde. Sollte allerdings ein Geständnis abgegeben werden, so käme eine Bewährungsstrafe in Betracht. Anzumerken ist, dass eine wirkliche Diskussion über die von mir vorgebrachten Argumente nicht stattfand, da sowohl Herr W als auch Herr B. die Sache für eindeutig erachteten. Ich hatte den Eindruck, dass Herr W mit den Einzelheiten unserer Argumentation auch gar nicht vertraut war. Als ich darauf hinwies, dass zahlreiche Indizien gegen ein vorsätzliches Handeln von Herrn Dr. X sprechen, äußerte Herr W, dass natürlich auch eine streitige Hauptverhandlung durchgeführt und die von uns benannten Zeugen vernommen werden könnten, allerdings müsse sich Herr Dr. X dann eben auf die besagte Freiheitsstrafe einstellen. Herr W wurde dann konkreter und äußerte, dass er sich im Falle eines Geständnisses eine Bewährungsstrafe zwischen 1 J. und 9 M. und 2 J. vorstellen könne. Dies entsprach auch den Vorstellungen von Herrn B. Hinsichtlich der Bewährungsauflage schwebte Herrn B. nach meiner Erinnerung zunächst ein Betrag in Höhe der Schadenssumme vor. Ich habe sofort deutlich gemacht, dass Herrn Dr. X schlicht die Mittel fehlen, eine Bewährungsauflage von mehreren hunderttausend Euro zu zahlen. Wir einigten uns dann auf einen Betrag von 30.000,00 €. Schließlich kam ich auf das Anliegen von Herrn Dr. X zu sprechen, die Hauptverhandlung ohne große Publizität durchzuführen. Es wurde dann lange gemeinsam beratschlagt, wie es bewerkstelligt werde könne, dass die Gerichtsreporterin möglichst keine Kenntnisse vom Verfahren erhält und beim Termin nicht anwesend ist - dies alles natürlich nur im Falle eines Geständnisses. Herr W betonte dann abschließend, dass es sich bei unserer Absprache nicht um eine Verständigung i.S.d. StPO handeln würde, »so etwas gibt es bei mir nicht«. Gleichwohl könne man sich absolut auf ihn verlassen. Zusagen pflege er einzuhalten. Diese Aussage hat mich natürlich überrascht, da es sich ja offensichtlich um ein Verständigungsgespräch handelte. Ich habe dann zugesagt, mit Herrn Dr. X das Angebot zu besprechen.
- Dienstliche Stellungnahme vom StA als Gruppenleiter B. v. 27.06.2012: Richtig ist, dass es am 07.04.2011 in den Räumen des AG Weilheim zu einer Besprechung zwischen Direktor des AG W, dem Verteidiger und mir kam. Die Initiative für eine solche Besprechung ging meiner Erinnerung nach, wie bereits im Ermittlungsverfahren, vom Verteidiger aus, der Kontakt zur mündlichen Erörterung der wesentlichen Fragen suchte. Hinsichtlich des Inhalts der Besprechung, die aus meiner Perspektive eine Erörterung i.S.v. § 202a StPO darstellte, verweise ich auf den hierüber gefertigten Vermerk (siehe Anlage). Konkrete Festlegungen hinsichtlich der zu erwartenden Strafhöhe bei einem Geständnis habe ich selbst für die StA formuliert, wie im Vermerk niedergelegt und wohl auch, dass aus meiner Sicht ohne die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses eine Vollzugsstrafe im Raum steht. Herr Direktor am AG W hat auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses hingewiesen und meiner Erinnerung nach aus seiner Sicht auch die Möglichkeit einer Vollzugs- oder Bewährungsstrafe erörtert. Ob seitens des Vors. eine konkrete Strafhöhe genannt wurde, kann ich heute nicht mehr sicher sagen. jedenfalls wurde nach meiner Erinnerung seitens des Vors. zu jedem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass eine Zusage bzw. ein »Deal« mangels Anwesenheit der Schöffen nicht möglich sei. In der Hauptverhandlung habe ich ausweislich des mir vorliegenden Sitzungsberichts eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 J./Bewährung beantragt. Das entsprach meinen bereits vorher formulierten Vorstellungen im Falle eines Geständnisses. Die vom Gericht ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von I J und 9 M. blieb dahinter nicht so weit zurück, dass ein Rechtsmittel der StA zwingend veranlasst gewesen wäre.
 - Der in der dienstlichen Stellungnahme angesprochene und ihr als Anlage beigefügte (in Kopie aus den Handakten der StA entnommene) Vermerk datiert v. 07.04.2011, ist von StA als Gruppenleiter B. unterschrieben und lautet wie folgt: Heute fand eine Vorbesprechung beim AG Weilheim bzgl. des o.g. Verfahrens zwischen Verteidigung, DiRAG W und mir statt. Von Seiten der StA wurde die Vorstellung dahingehend geäußert, dass im Falle eines vollumfänglichen Geständnisses, das einer Verurteilung zugrunde gelegt werden kann, eine weitere Beweisaufnahme unterbleiben könnte und eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 J./Bewährung und eine Geldauflage in Höhe von 30.000,00 € in Betracht kommt. DiRAG W legte dar, welche Einlassungen notwendig würden, um eine kurze Hauptverhandlung ohne Zeugen zu ermöglichen. Dabei wurde als Termin der I0.05.20II ins Auge gefasst. Gleichzeitig wurde dargelegt, dass ein »Deal« bei dieser Besprechung schon mangels Anwesenheit der Schöffen nicht vereinbart werden könne.
- Der frühere Verteidiger [ ... ] äußerte sich im Anschluss an diese dienstliche Stellungnahme mit Schreiben v. 16.07.2012 an den neuen Verteidiger (vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz v. 17.07.2012) ergänzend wie folgt: Es kann gut sein, dass Herr W in unserer Besprechung darauf hinwies, einem »Deal« stehe auch die Abwesenheit der Schöffen entgegen. Ich kann mich allerdings noch sehr genau an die Äußerung von Herrn W erinnern, wonach es einen »Deal« i.S.d. StPO bei ihm auch grundsätzlich nicht gebe. Diese Bemerkung ist mir deshalb so in Erinnerung geblieben, weil ich sie als im völligen Widerspruch zur anschließenden Versicherung von Herrn W stehend empfand, wonach die Zusage der Strafobergrenze gleichwohl verbindlich sei und wir uns auf ihn verlassen könnten. Seine Zusagen pflege er einzuhalten. Mit anderen Worten hatte ich den Eindruck, der »Deal« sollte nicht so heißen. Nach meiner Erinnerung wurde für den Fall eines Geständnisses eine Bewährungsstrafe zwischen 1. J.  und 9 M. und 2 J. zugesagt. Sollten sich die Vorwürfe der Anklage in einer streitigen Hauptverhandlung bestätigen, so stellte Herr W die Verhängung einer Vollzugsstrafe von 3 bis 3 ½ J in Aussicht.
- In Kenntnis der vorgenannten bereits bei den Akten befindlichen Äußerungen der übrigen Besprechungsteilnehmer äußerte sich der Vors. des SchöG mit dienstlicher Stellungnahme v. 18.07.2012 wie folgt: Am 07.04.2011 fand in den Räumen des AG Weilheim – auf Wunsch der Verteidigung - eine Besprechung statt zwischen dem Verteidiger des Angeschuldigten [ .. ],Herrn StA als Gruppenleiter B. und mir als den zuständigen Richter. Hierbei wurde entsprechend § 202 a StPO der Verfahrensstand und der mögliche Verfahrensgang besprochen. Ich habe hierbei zum Ausdruck gebracht, dass aus derzeitiger Sicht wohl eine Verurteilung entsprechend der Anklage in Betracht kommen könnte. Es wurde auch erörtert, dass bei dem angeklagten Sachverhalt bei einem vollumfänglichen Schuldspruch ohne Geständnis auch eine Freiheitsstrafe von ca. 3 bis 3 ½ J. in Betracht kommen könnte. Als Herrn RA Y. dies im Hinblick auf die Spruchpraxis in München sehr hoch erschien, habe ich ihm gesagt, dass sich die Spruchpraxis im Bereich München !I auch beim hiesigen AG eben von München I unterscheiden würde. Ebenfalls besprochen wurde, dass gerade bei einem solch aufwändigen Verfahren und unabhängig davon, dass es mir persönlich egal wäre, ob ein kurzes oder ein aufwändiges Verfahren durchzuführen wäre, ein Geständnis - wie üblich -großen Einfluss auf die Strafhöhe hätte und diese dann möglicherweise 2 J nicht überschreiten würde. Auch bei einer möglichen Freiheitsstrafe bis zu 2 J. könnte ohne Berücksichtigung eines Geständnisses und der Folgen einer Verurteilung für den Angeschuldigten eher eine Bewährung begründet werden. Auf die Fragen des Verteidigers mit welcher Auflage sein Mandant im Falle einer Bewährungsstrafe zu rechnen habe, wurde seitens der StA mitgeteilt, dass diese üblicherweise dem Schadensbetrag entsprechen würde. Der Verteidiger meinte hierauf, dass dies für seinen Mandanten wohl finanziell nicht möglich sei. Herr StA als Gruppenleiter B. teilte dann mit, dass die StA wohl nicht über 30. 000, 00 € fordern würde. Ich habe deutlich gemacht, dass eine Verständigung i.S.d. § 257c StPO hier nicht möglich sei, da die Schöffen nicht beteiligt wären. Auf Frage des Verteidigers, welche Sicherheit sein Mandant dann bei einem Geständnis habe, habe ich gesagt, dass eine solche nicht bestehe, er müsse sich hier eben darauf verlassen, dass bei der Urteilsberatung kein anderes Ergebnis (Bewährungsstrafe) herauskommen würde. Eine verbindliche Einhaltung einer Strafobergrenze konnte ich gar nicht zusagen, da ich ja problemlos von meinen Schöffen in der Hauptverhandlung hätte überstimmt werden können. Es wurde auch darüber gesprochen, inwieweit bei einem Geständnis eine Einlassung oder eine umfangreiche Beweisaufnahme mit Zeugen erforderlich wäre. Das Interesse des Verteidigers ging dahin, eine kurze Verhandlung möglichst an einem Nachmittag durchzuführen. Ich habe dann gesagt, dass m.E. eine Erklärung des Verteidigers ausreichend sei, diese Erklärung aber von dem Angekl. selbst bestätigt werden müsse. Herr RA Y. erklärte, dass er die Sache mit seinem Mandanten besprechen und dann hierher mitteilen würde, ob in der Verhandlung ein Geständnis erfolgen werde, damit auch entsprechend terminiert werden könne. Nachdem seitens des Verteidigers die Mitteilung erfolgte, dass sein Mandant ein vollumfängliches Geständnis abgeben würde, wurde am 28.04.2011 die Anklage zugelassen und Termin auf den 24.05.2011, 14.30 Uhr bestimmt. Dem Urt. v. 24.05.2011 ging keine Verständigung i.S.d § 257c StPO voraus.
- RA Y. als damaliger Verteidiger des Angekl. teilte diesem mit Schreiben v. 08.04.2011 (vorgelegt als Anlage 2 zum Schriftsatz des neuen Verteidigers v. 05.11.2012) folgendes zusammengefasstes Ergebnis der Besprechung mit. Trotz intensiver Diskussionen und nochmaligem Vorbringen unserer Argumente äußerten StA und Richter der Auffassung, dass nach ihrer vorläufigen Einschätzung eine Strafbarkeit gegeben ist. Der Richter gab zu verstehen, dass angesichts der hohen Schadensumme eine Freiheitsstrafe von 3 bis 3 ½ J. ohne Bewährung zu erwarten sei. Allerdings betonte er, handele es sich naturgemäß um eine vorläufige Einschätzung, da erst die Zeugen vernommen werden müssten. Hierzu sei voraussichtlich eine Verhandlungsdauer von 3 bis 4 Tagen erforderlich. Sollten sie, sehr geehrter Herr Dr. X, allerdings gegenüber dem Gericht einräumen, dass Sie bei ihrer Abrechnung in Kauf nahmen, dass einzelne Ziffern falsch seien (da Sie sich nicht so gut auskannten), so würde sich dies erheblich strafmildernd auswirken. Das Gericht sichert ihnen in diesem Fall zu, dass die abgeurteilte Strafe 2 J. nicht übersteigt und zudem zur Bewährung ausgesetzt wird (bei Bewährungsauflage von 30.000,00 €). Zudem könnte in diesem Fall das Verfahren erheblich abgekürzt werden, so dass bei einer mutmaßlichen Verhandlungsdauer von einer Stunde wohl auch die Presse keine Kenntnis vom Verfahren erhält, was indessen naturgemäß nicht garantiert werden kann.
- Anknüpfend an den ausweislich der dienstlichen Stellungnahme von StA als Gruppenleiter B. ins Auge gefassten Hauptverhandlungstermin am 10.05.2011 bat der damalige Verteidiger des Angekl. den Vors. mit Fax-Schreiben v. 27.04.2011 (Bl. 88 d.A.) um dessen Rückruf. Auf demselben Aktenblatt 88 findet sich zudem neben der Bleistiftnotiz der Telefonnummer des StAB. die weitere Bleistiftnotiz »24.05., 14.30 Uhr«.
- Hierzu teilte RA Y. als damaliger Verteidiger des Angekl. Diesem mit Schreiben v. 29.04.2011 (vorgelegt als Anlage 3 zum Schriftsatz des neuen Verteidigers v. 05.11.2012) folgendes mit: Gestern rief mich nun der Vors. Richter, Herr W, an, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Bezüglich des von uns ins Auge gefassten Verhandlungstermins am Dienstag, 10.05.2011 gab der Richter zu bedenken, dass Ihre Verhandlung nur die Einzige wäre, so dass ein gewissen Risiko besteht, dass die Presse von der Verhandlung Kenntnis nehmen wird Vor diesem Hintergrund bin ich mit dem Richter übereingekommen, doch noch einen alternativen Termin zu finden. Herr W bot mir hier einen Nachmittagstermin am Dienstag, 24.05.2011, an (Uhrzeit 14.30 Uhr), da parallel ein anderes »interessanteres« Verfahren terminiert ist. Nach Einschätzung des Richters besteht somit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Termin Ihr Verfahren relativ unbemerkt von statten gehen kann. Nach unseren zuletzt geführten Telefonaten habe ich dem Richter auch noch einmal unser Anliegen überbracht, außerhalb der formliehen Hauptverhandlung die Angelegenheit im »persönlichen Gespräch« zu erörtern. Der Richter hielt dies zwar für »nicht üblich«, war aber angesichts der ihm von mir näher erläuterten besonderen Umstände dieses Verfahrens einverstanden, dass wir uns bereits um 14.00 Uhr im »Richterzimmer« vorstellen. Der Richter geht nun davon aus, dass die Verhandlung tatsächlich dergestalt abgekürzt wird, dass Sie im Rahmen einer (von mir vorbereiteten) Erklärung einräumen, dass Sie bei der Abrechnung in Kauf nahmen, dass diese unrichtig ist. Im Gegenzug ist abgesprochen, dass Sie in jedem Fall eine Bewährungsstrafe erhalten werden. [ .. ]
II. Die sofortige Beschwerde des Angekl. gegen die Verwerfung seiner Berufung durch Beschl. v. 23.08.2012 ist nach §§ 322 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet und führt nicht nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses v. 23.08.2012 (I.), sondern auch zur Feststellung, dass das Urt. v. 24.05.2011 unwirksam ist, so dass über die zugelassene Anklage der StA München II von neuem entschieden werden muss (2.).
1. Die Berufung des Angekl. gegen das Urt. des SchöG beim AG Weilheim v. 24.05.2011 war entgegen der Auffassung des LG jedenfalls nicht deshalb unzulässig, weil sowohl der Angekl. als auch die StA unmittelbar im Anschluss an die Verkündung des Urt. und die erteilte - standardmäßige - Rechtsmittelbelehrung auf Rechtsmittel verzichtet haben, so dass noch in der Hauptverhandlung Rechtskraft eingetreten wäre. Denn das Urt. beruht auf einer vorausgegangenen Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten, wonach der Angekl. im Falle eines Geständnisses hinsichtlich der angeklagten Sachverhalte mit der Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als 2 J. rechnen konnte, die gegen eine Zahlungsauflage in Höhe von 30.000,00 € zur Bewährung ausgesetzt werden würde, während er für den Fall einer nicht geständigen Einlassung bei einem vollen Nachweis der Tatvorwürfe mit einer Vollzugsstrafe von 3 bis 3 ½ J. rechnen müsse. Dies ergibt sich im Ergebnis eindeutig aus den freibeweislieh zu würdigenden Darstellungen des Vors., des sachbearbeitenden StA sowie des damaligen Verteidigers des Angekl. über Ablauf, Inhalt und Ergebnis der entscheidenden Besprechung zwischen diesen 3 Personen am 07.04.2011, die in ihrem Kern übereinstimmen. So wird die Darstellung des damaligen Verteidigers in dessen Schreiben an den Angekl. v. 08.04.2011, wonach der Vors. das nach Aktenlage (zu ergänzen: ohne Geständnis) zu erwartende Strafmaß angesichts der hohen Schadenssumme mit 3 bis 3 ½ J. beziffert, für den Fall des Einräumens der Falschabrechnung wegen dessen erheblich strafmildernder Wirkung aber eine Strafe von nicht mehr als 2 J. sowie deren Aussetzung zur Bewährung gegen eine Zahlungsauflage von 30.000,00 € zugesichert habe, durch den Vermerk des beteiligten StA v. 07.04.2011 wie auch auf die späteren dienstlichen Äußerungen des StA wie des Vors. In seinen Eckpunkten bestätigt. So bestätigte der Vors. in seiner dienstlichen Äußerung ausdrücklich, dass er darauf hingewiesen habe, dass bei dem angeklagten Sachverhalt bei einem vollumfänglichen Schuldspruch ohne Geständnis auch eine Freiheitsstrafe von 3 bis 3 ½ J. in Betracht kommen könne. Auf den Einwand des Verteidigers, dass dies im Hinblick auf die Spruchpraxis in München sehr hoch erscheine, habe er erklärt, dass sich die Spruchpraxis im Bereich (des LG) München 11 und auch beim hiesigen AG (Weilheim) eben von (der Spruchpraxis beim LG) München I unterscheiden würde. Gerade diese erklärende Begründung macht deutlich, dass es sich bei der für den Fall des Ausbleibens eines Geständnisses in Aussicht gestellten Vollzugsstrafe von 3 bis 3 ½ J. um die eigene Vorstellung des Vors. handelte. Auch hinsichtlich des für den alternativen Fall eines ausbleibenden Geständnisses avisierten Strafmaßes bestätigte der Vors. in seiner dienstlichen Erklärung im Wesentlichen die Darstellung des damaligen Verteidigers des Angekl. Und machte lediglich bei der damit verbundenen Sicherheit für den Angekl. Einschränkungen. So bestätigte er, dass er den großen Einfluss eines Geständnisses auf die Strafhöhe betont habe, die dann möglicherweise 2 J. nicht überschreiten würde. Auch könne unter Berücksichtigung eines Geständnisses und der Folgen einer Verurteilung für den Angekl. dann eher eine Bewährung begründet werden. Darüber hinaus bestätigte der Vors. in seiner dienstlichen Erklärung, dass die Gesprächsteilnehmer nach anfänglich höheren Vorstellungen des StA für den Fall einer Strafaussetzung zur Bewährung übereinstimmend von einer Zahlungsauflage in Höhe von 30.000,00 € ausgegangen sind. Schließlich bestätigte der Vors. in seiner dienstlichen Erklärung auch, dass auf ausdrückliche Frage des Verteidigers hin auch darüber gesprochen wurde, mit welcher Sicherheit der Angekl. Im Falle eines Geständnisses von der tatsächlichen Verhängung einer (bloßen) Bewährungsstrafe ausgehen könne. Hierauf habe er geantwortet, dass eine solche Sicherheit nicht bestehe, er müsse sich hier eben darauf verlassen, dass bei der Urteilsberatung kein anderes Ergebnis (Bewährungsstrafe) herauskommen würde. Auch der an der Besprechung am 07.04.2011 beteiligte StA hat in seinem Vermerk vom selben Tag ausdrücklich festgehalten, dass er sich dahingehend geäußert habe, dass im Falle eines vollumfänglichen Geständnisses, das einer Verurteilung zugrunde gelegt werden könne, eine weitere Beweisaufnahme unterbleiben und eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 J. mit Bewährung und einer Geldauflage in Höhe von 30.000,00 € in Betracht kommen könne, und in der dienstlichen Stellungnahme v. 27.06.2012 diesbezüglich sogar von einer konkreten Festlegung hinsichtlich der zu erwartenden Strafhöhe gesprochen. Damit kann als gesichert gelten, dass zwischen dem Vors., dem sachbearbeitenden StA und dem Verteidiger des Angekl. Einigkeit darüber bestand, dass der Angekl. für den Fall eines Geständnisses mit einer Bewährungsstrafe von nicht mehr als 2 J. verbunden mit einer Zahlungsauflage in Höhe von 30.000,00 €, anderenfalls jedoch mit einer Vollzugsstrafe in der Größenordnung von 3 bis 3 ½ J. zu rechnen hatte. Diese Übereinkunft sollte ausschließlich unter dem - selbstverständlichen - Vorbehalt stehen, dass der Vors. des SchöG nicht durch die beiden Schöffen überstimmt wird. Abschließend wurde ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Vors. am 18.07.2012 auch darüber gesprochen, in wie weit bei einem Geständnis eine umfangreiche Beweisaufnahme mit Zeugen erforderlich würde, wobei das Interesse des Verteidigers dahinging, eine kurze Verhandlung möglichst an einem Nachmittag durchzuführen. Hierbei habe er als Vors. erklärt, dass seines Erachtens eine Erklärung des Verteidigers ausreichend sei, diese müsse aber vom Angekl. selbst bestätigt werden. In der Gesamtschau ergibt sich somit nach dem sachlichen Inhalt eindeutig eine Absprache unter den berufsmäßigen Prozessbeteiligten, wonach der Angekl. für den Fall eines Geständnisses hinsichtlich des angeklagten Sachverhalts mit einer Bewährungsstrafe von nicht mehr als 2 J. unter gleichzeitiger Auferlegung einer Zahlungsauflage in Höhe von 30.000,00 € zu rechnen hatte. Diese Absprache sollte lediglich unter dem - selbstverständlichen - Vorbehalt stehen, dass der Vors. von den beiden Laienrichtern nicht überstimmt wird. Auch wenn hierzu schon wegen der Außerachtlassung sämtlicher gesetzlich vorgeschriebener Formalien keine Verständigung im Sinne § 257c StPO liegen konnte, so handelte es sich ihrem Inhalt nach dennoch um eine verfahrensbeendende Absprache (Geständnis gegen bloße Bewährungsstrafe ohne detaillierte Beweisaufnahme). Die gewollte Verbindlichkeit der getroffene Absprache ergibt sich schließlich auch aus dem Urteil, das in allen wesentlichen Einzelheiten der Absprache entsprach, wobei entscheidend hinzukommt, dass eine ergänzende Beweisaufnahme zur Überprüfung der vom Verteidiger vorgetragenen und vom Angekl. bestätigten Erklärung, die das Gericht als Geständnis angesehen hat, offensichtlich von vornherein nicht beabsichtigt war. Denn zur Hauptverhandlung waren vom Vors. angeordnet - keinerlei Zeugen geladen. Da das Urt. somit auf einer verbindlichen Absprache zwischen dem Vors., der StA und der Verteidigung beruht, wenn auch unter Außerachtlassung sämtlicher Offenlegungs-, Dokumentations-, Hinweis- und Belehrungspflichten nach §§ 243 Abs. 4, 257c, 273 Abs. 1a StPO, war der im Anschluss an die Urteilsverkündung erklärte Rechtsmittelverzicht des Angekl. wie auch der StA analog § 302 Abs. 1 S. 2 StPO unwirksam. Die entsprechende Anwendung des durch das Verständigungsgesetz v. 29.07.2009 konstituierten Rechtsmittelverzichtsverbots nach § 302 Abs. 1 S. 2 StPO auch auf Fälle informeller Absprachen außerhalb des dem § 257 c zugrunde liegenden Regelungskonzepts ist sachlich geboten. Denn mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb dieses gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sog. informelle Absprachen sind unzulässig (vgl. BVerfG- 2 BvR 2628/10, Rn. 75 bei juris [= StV 2013, 353]). Hätte die Regelung keinen abschließenden Charakter, könnten die vom Gesetzgeber als erforderlich erachteten flankierenden Vorschriften, die Transparenz und Öffentlichkeit des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens sichern, die ihnen zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle von Verständigungen zugedachte Funktion von vornherein nicht wirksam erfüllen (vgl. a.a.O. Rn. 76). Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept zum Inhalt, zum Zustandekommen und zu den Folgen einer Verständigung folgt u.a., dass ein wirksamer Rechtsmittelverzicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften verständigt haben (BVerfG a.a.O. Rn. 78). Auch vor der Entscheidung des BVerfG v. 19.03.2013 war eine entsprechende Anwendung des § 302 Abs. 1 S. 2 StPO auf informelle Absprachen außerhalb des Regelungsgefüges nach § 257c StPO sachlich geboten. Denn wenn zum Schutz der Angekl. vor übereilter Zustimmung zur Verständigung im Strafverfahren, aber auch zur Sicherung der Kontrolle der jeweils anzuwendenden Verfahrensregeln bereits bei regelkonformen Verständigungen ein Rechtsmittelverzichtsverbot gilt, so muss dies erst recht für diejenigen Fälle gelten, in denen die vom Gesetz hierfür vorgesehenen Verfahrensregeln unbeachtet geblieben sind oder - wie im vorliegenden Fall- bewusst umgangen wurden (vgl. hierzu das obiter dieturn in OLG Celle StV 2012, 141 ff.). Die gegenteilige Auffassung, wonach die gesetzlichen Verfahrensregeln für Verständigungen im Strafprozess nach § 257 c StPO nicht abschließend sein und deshalb die Schutzmechanismen insbes. des § 273 Abs. 1a StPO und des § 302 Abs. 1 S. 2 StPO für »informelle« Vorgehensweisen außerhalb der Vorgaben des§ 257c StPO nicht gelten sollen (vgl. Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller StV 2012, 387 f.; ders. NStZ 2013, 19 ff.) wurde vom BVerfG in seiner genannten Entscheidung v. 19.03.2013 ausdrücklich verworfen (a.a.O. Rn. 119). Zwar ist trotz der Unwirksamkeit der Rechtsmittelverzichtserklärung des Angekl. sowie der StA im vorliegenden Fall durch Ablauf der Berufungsfrist mit dem 31.05.2011 zunächst Rechtskraft eingetreten. Dem Angekl. wäre jedoch gern. §§ 44 ff. StPO Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungsfrist zu gewähren, da er glaubhaft gemacht hat, ohne eigenes Verschulden an deren Einhaltung gehindert gewesen zu sein. Aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Zeugin N. v. 12.06.2012 ergibt sich, dass der Angekl. nach der Hauptverhandlung v. 24.05.2011 mit deren Verlauf und dem ergangenen Urt. sehr unzufrieden war und seinen damaligen Verteidiger, RA Y., nach Möglichkeiten, das Urt. anzufechten gefragt hat, was dieser jedoch unter Hinweis auf die eingetretene Rechtskraft verneint habe. Auch in den Folgetagen habe der Angekl. Immer wieder sein Unverständnis mit dem Verfahrensablauf geäußert, einige Tage später aber berichtet, dass ihm Y. auf nochmalige Frage hin erklärt habe, dass man gegen das Urt. nicht mehr vorgehen könne. Dies bestätigt im Übrigen der frühere Verteidiger des Angekl., RA Y., auch selbst unter Ziff. 8 seines Schreibens v. 13.06.2012 an den nunmehrigen Verteidiger des Angekl. (Anlage 1 zum Berufungsschriftsatz v. 15.06.2012).
2. Der Erfolg der sofortigen Beschwerde führt im vorliegenden Fall jedoch ausnahmsweise nicht zur Zurückverweisung des Verfahrens an das LG zur Durchführung des Berufungsverfahrens, sondern zur Zurückverweisung an die I. Instanz, weil das zugrunde liegende Ausgangsurteil v. 24.05.2011 an derart schwerwiegenden Mängeln leidet, dass es nicht nur rechtlich fehlerhaft, sondern nichtig und damit unwirksam und unbeachtlich ist. Die Möglichkeit der Nichtigkeit und völliger Unwirksamkeit von Urt. und anderen gerichtlichen Entscheidungen wird zwar in einem Teil der Lit. abgelehnt, weil derartig beschaffene Urt. in einem Rechtsstaat nicht vorstellbar seien (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Einl. Rn. 105a ff, LR-Kühne, 26. Aufl. Einl. Abschn. K 116, jew. m.w.N.). Aus Gründen der Rechtssicherheit könne es keine schlechthin für jedermann unbeachtliche gerichtliche Entscheidung geben, auf deren Unwirksamkeit sich jedermann berufen könne, ohne dass es einer förmlichen prozessordnungsgemäßen Entscheidung eines anderen Gerichts bedürfte. Für Zwischenentscheidungen passe die Lehre von der möglichen Nichtigkeit gerichtlicher Entscheidungen ohnehin nicht, da sie im weiteren Verfahrensverlauf korrigiert werden könnten (vgl. Meyer-Goßner JR 1981, 380). Bei bereits eingetretener Rechtskraft können Urteile, die an schwersten Mängeln leiden, jedenfalls im Wege der Wiederaufnahme nach §§ 359 ff. StPO korrigiert oder nach § 458 StPO für nicht vollstreckbar erklärt werden (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 105b; LR-Kühne a.a.O.). Demgegenüber hält die Rspr. nichtige Rechtsentscheidungen grundsätzlich zumindest in Ausnahmefällen für möglich, wenn sie an einem derart schweren Mangel leiden, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen (BVerfG NJW 1985, 125; BGHSt 33, 126 f.). Dies kann aber auch nach dieser Auffassung nur ·in seltenen Ausnahmefällen dann in Betracht kommen, wenn die Anerkennung einer vorläufigen Gültigkeit wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit für die Rechtsgemeinschaft geradezu unerträglich wäre, weil die Entscheidung ihrerseits dem Geist der StPO und wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung krass widerspricht, und wenn eine derartig schwerwiegende Fehlerhaftigkeit offenkundig ist (BGHSt 10, 278, 281; 29, 351 ff.; BGHNStZ 2009, 579-581). Das folgt aus den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der ihr dienenden Autorität gerichtlicher Entscheidungen sowie aus der Gesamtstruktur des Strafverfahrens mit seinem zur Korrektur fehlerhafter Entscheidungen bestimmten Rechtsmittelsystem. Denn die Annahme rechtlicher Unbeachtlichkeit einer richterlichen Entscheidung führt dazu, dass jedermann sich in jeder Verfahrenslage, auch nach Rechtskraft der Entscheidung, auf deren Unwirksamkeit berufen kann, und zwar auch außerhalb der Ordnung, die das Strafverfahrensrecht mit den ihm eigenen Kontrollmechanismen darstellt (BGHSt 29, 351 ff. m.w.N.). Ob die Fehlerhaftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung in diesem Sinne noch hinnehmbar ist, bestimmt sich nach der Rspr. schließlich nicht allein nach der Schwere des Fehlers und der Offenkundigkeit seines Vorliegens, sondern nach der sachlichen Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung für das Verfahren. Ein und derselbe Verfahrensfehler hat deshalb nicht bei jeder von ihm betroffenen Entscheidung dieselbe Folge (BGHSt 29, 351, 355), weshalb jedenfalls die Bewertung gerichtlicher Zwischenentscheidungen als nichtig wegen der nicht hinnehmbaren Folgen, die dies für die Rechtssicherheit im Verfahren und die geordnete Rechtspflege begründen würde, generell ausscheidet (BGHSt 29, 351, 355; 45, 58, 61 f.; BGH NStZ 2009, 579 ff.). Auch unter Berücksichtigung der dargestellten sehr einschränkenden Maßstäbe der Rspr. des BGH ist im vorliegenden Fall von einer Nichtigkeit des Urt. des AG Weilheim v. 24.05.2011 auszugehen. Im Gegensatz zu den vom BGH entschiedenen Fällen handelt es sich hier nicht um eine bloße Zwischenentscheidung, sondern um ein grundsätzlich verfahrensabschließendes Urteil, das- bei unterstellter Gültigkeit und von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abgesehen - durch Ablauf der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen wäre. Dieses Urt. beruht auf einer informellen Verständigung zwischen Gericht, StA und Verteidigung, bei der bewusst sämtliche formellen und inhaltlichen Grundregeln einer zulässigen verfahrensbeendenden Verständigung im Strafverfahren nach dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes v. 29.07.2009 missachtet wurden und die deshalb unzulässig ist. Denn die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren hat danach eine abschließende Regelung erfahren, die außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sog. informelle Absprachen unzulässig macht (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10, Rn. 75 bei juris [= StV 2013, 353]). Die im Rahmen einer Erörterung des Verfahrensstandes im Zwischenverfahren nach§ 202a StPO durchgeführte Besprechung wurde entgegen S. 2 dieser Regelung schon als solche nicht aktenkundig gemacht, erst recht nicht die hierbei erzielte verfahrensbeendende Verständigung und deren Inhalt. Auch in der Hauptverhandlung wurde entgegen§ 243 Abs. 4 StPO weder die Tatsache einer erzielten Verständigung noch deren Inhalt mitgeteilt, was nach § 273 Abs. 1a StPO protokollierungspflichtig gewesen wäre. Damit ist nicht einmal sicher, ob die beteiligten Schöffen von der Tatsache der getroffenen Vereinbarung und deren Inhalt Kenntnis erlangt haben. Des Weiteren kam das Gericht auch seiner Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StPO ausweislich des Protokolls, das hierzu trotz der Protokollierungspflichten nach § 273 Abs. 1a S. 2 StPO keine Feststellung enthält, nicht nach. Schließlich unterblieb in Konsequenz dieses Verhaltens auch die nach § 35a S. 3 StPO vorgeschriebene qualifizierte Rechtsmittelbelehrung des Angekl. Somit ließ das Gericht sämtliche Pflichten zur Offenlegung und Dokumentation der Grundlagen seines Urt. sowie zur umfassenden Belehrung des Angekl. sowohl vor Abgabe seiner vereinbarten Erklärung, als auch nach dem Urt. außer Acht und unterband selbst die nach § 302 Abs. 1 S. 2 StPO ausdrücklich für unzulässig erklärte Rechtsmittelverzichtserklärung im Anschluss des ergangenen Urt. nicht. Auch der Vertreter der StA kam seiner vom BVerfG (BVerfG a.a.O. Rn. 91 ff. bei juris) besonders hervorgehobenen, aber zuvor bereits in gleicher Weise gültigen Aufgabe als »Wächter des Gesetzes« nicht nach und gab seinerseits unzulässiger Weise eine Rechtsmittelverzichtserklärung ab, so dass das Urt. formal in Rechtskraft erwuchs. Sämtliche dieser vorgenannten Verfahrensfehler verletzen jedoch lediglich Verfahrensregeln, die der Absicherung der - auch im Rahmen verfahrensbeendender Verständigungen gültigen- zentralen Aufgabe des Gerichts dienen, den wahren Sachverhalt aufzuklären und ein schuldangemessenes Urt. zu finden. Sie hätten daher für sich genommen lediglich die Rechtswidrigkeit, nicht die gänzliche Unwirksamkeit des ergangenen Urt. zur Folge. Zur Annahme der Nichtigkeit und damit gänzlichen Unwirksamkeit führt erst der zusätzliche Umstand, dass das Gericht im vorliegenden Fall erkennbar seiner für den Strafprozess grundlegenden Pflicht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts und der Schuld des Angekl. erkennbar bewusst nicht nachgekommen und sich hierzu tatsächlich keine eigene Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung nach § 261 StPO, also kein »eigenes Urteil« gebildet hat, sondern lediglich die bereits im Zwischenverfahren getroffene »Verständigung« ohne jegliche Nachkontrolle ihrer inhaltlichen Richtigkeit in ein formales  Urt. umgesetzt hat, wobei - wie ausgeführt – nicht einmal sicher ist, dass die beteiligten Schöffen über die tatsächlichen Hintergründe informiert worden sind. Mit dem Verständigungsgesetz wollte der Gesetzgeber zwar eine offene, kommunikative Verhandlungsführung des Gerichts stärken, aber gerade kein neues, »konsensuales« Verfahrensmodell einführen. Vielmehr war es sein erklärtes Regelungsziel, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (BVerfG a.a.O. Rn. 67 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310, 1, 8 f.). Die Klarstellung in § 257c Abs. 1 S. 2 StPO, wonach die in§ 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen »unberührt« bleibt, ist eindeutig. Die Norm schließt jede Disposition
über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urt. bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichende fundierte – Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 68). Der klarstellende Hinweis in § 257c Abs. 1 S. 2 StPO auf die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO verdeutlicht, dass auch in der Verständigungssituation ein bloßes inhaltsloses Formalgeständnis oder gar die nicht einmal ein Geständnis darstellende schlichte Erklärung, der Anklage nicht entgegenzutreten, allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein können (BVerfG a.a.O. Rn. 70). § 257c Abs. 1 S. 2 StPO kann zudem nur so verstanden werden, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich- unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigung transparent und kontrahierbar zu machen- durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen (BVerfG a.a.O. Rn. 71). Diesen Anforderungen an eine eigene Überzeugungsbildung von der Richtigkeit des Tat- und Schuldvorwurfs gegen den Angekl. als Grundlage seines Urt. genügte das Gericht im vorliegenden Fall nicht ansatzweise. Die vom Verteidiger vorgetragene und vom Angekl. bestätigte Erklärung stellt ihrem Inhalt nach schon in objektiver Hinsicht, erst recht jedoch in subjektiver Hinsicht kein Geständnis hinsichtlich des angeklagten Abrechnungsbetrugs dar. Insbesondere enthält sie keinerlei Aussage zur für den Tatvorsatz, selbst in dessen bedingter Form, erforderlichen Willenskomponente. Erst recht gilt dies für die tatbestandlieh erforderliche Bereicherungsabsicht. Stattdessen beschränkt sich die Erklärung darauf, dass er nicht gewusst, aber für möglich gehalten habe, überhöht abzurechnen. Ob und in wie weit er dies billigend in Kauf genommen oder aber beabsichtigt hat, lässt sich dieser Aussage nicht entnehmen. Auch die auf Frage des Gerichts ergänzend nachgeschobene Erklärung des Verteidigers ändert hieran nichts, sondern deutet eher eine Überforderung und die Vorstellung des Angekl. an, sich darauf verlassen zu haben, dass die KVB sich im Falle einer Unrichtigkeit der Abrechnung von sich aus melden werde (»16.000 Möglichkeiten .... hat sich verheddert. Jeder Arzt bekommt Honorarbescheid und Berichtigungsbescheid«). Dies- als zutreffend unterstellt- spräche gerade dafür, dass der Angekl. aus seiner Sicht nicht falsch abrechnen wollte und dies auch nicht billigend in Kauf genommen, sondern darauf vertraut hat, seitens der KVB ggf. einen Korrekturbescheid zu bekommen. Diese Erklärung des Angekl. Erfüllt somit selbst unter Berücksichtigung der ergänzenden Erklärung seines Verteidigers nicht einmal die Anforderungen an ein Formalgeständnis und hätte somit keinesfalls als Geständnis bezüglich des angeklagten Abrechnungsbetrugs gewertet werden dürfen. Darüber hinaus kam das Gericht seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO auch zu den näheren Einzelheiten und Hintergründen, insbes. Zur Frage, ob der Angekl. -wie in der Anklage erwähnt und unter Beweis gestellt - bereits wegen vergleichbarer Falschabrechnungen abgemahnt und disziplinarisch geahndet worden war, nicht nach, obwohl dies für den Tat- wie Schuldvorwurf von offenkundig entscheidender Bedeutung war. Trotz dieses offensichtlichen Klärungsbedarfs führte das Gericht zum Tatvorwurf keinerlei Beweisaufnahme durch und vernahm insbes. nicht die zu Art und Umfang der früheren Vorfälle in der Anklage benannte Zeugin. Dies war offensichtlich auch von vornherein so beabsichtigt, da zur Hauptverhandlung keinerlei Zeugen geladen wurden. Spätestens nach dem letzten Wort des Angekl., mit dem er seine ohnehin schon für ein Geständnis unzureichende Erklärung noch weiter entwertete (»Fühle mich von der KVB im Stich gelassen wegen der Richtigkeitsbescheinigung, habe mich darauf verlassen, immer, wenn ich eine Bescheinigung bekam und etwas richtiggestellt wurde, habe ich es nicht mehr abgerechnet, ( ... ) habe nie absichtlich betrogen«) wäre das Gericht nach § 257c Abs. 1 S. 2, Abs. 4 StPO gehalten gewesen, die gefundene Verständigung für erledigt zu betrachten und stattdessen den tatsächlichen Geschehensablauf zur Bewertung des Tat- und Schuldvorwurfs zu klären. Da das Gericht dennoch die gänzlich inhaltslose Erklärung als Geständnis gewertet und keinerlei Anstrengungen zur Klärung des tatsächlichen Geschehensablaufs unternommen hat, hat es seine fundamentale Aufgabe, sich nach § 261 StPO aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung eine eigene Überzeugung über das wahre Tatgeschehen und den Schuldumfang des Angekl. als Grundlage seines Urt. zu bilden, nicht erfüllt, sondern lediglich die ohnehin rechtswidrig getroffene Vereinbarung mit StA und Verteidigung in die äußerliche Form eines Urt. umgesetzt. Diese Verweigerung der Kernaufgabe des Gerichts wiegt angesichts des Umstands, dass eine Überprüfung der angekündigten Erklärung des Angekl. - wie ausgeführt - erkennbar von vorne herein nicht beabsichtigt war, nach Ausmaß und Gewicht so schwer, dass eine Gültigkeit dieser nur formal in Urteilsform gekleideten Entscheidung für die Rechtsgemeinschaft unerträglich wäre, weil die Entscheidung dem Geist der StPO und wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatliehen Ordnung- offenkundig - krass widerspricht. Angesichts des offenkundigen krassen Widerspruchs der Entscheidung zu grundlegenden Prinzipien der rechtsstaatliehen Ordnung und des zusätzlichen Umstands, dass an ihr auch die StA entgegen ihrer Rolle als »Wächter des Gesetzes « (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 93) an ihr mitgewirkt und sie nicht verhindert hat, stehen der Annahme ihrer rechtlichen Unbeachtlichkeit auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit und der Autorität gerichtlicher Entscheidungen sowie die Gesamtstruktur des Strafverfahrens mit seinem zur Korrektur fehlerhafter Entscheidungen bestimmten Rechtsmittelsystem nicht durchschlagend entgegen. Denn das hierfür angeführte Argument, dass sich dann jedermann in jeder Verfahrenslage, auch nach Rechtskraft der Entscheidung, auf deren Unwirksamkeit berufen könne, und zwar auch außerhalb der Ordnung, die das Strafverfahrensrecht mit den ihm eigenen Kontrollmechanismen darstellt (BGHSt 29, 351 ff. m.w.N.), überzeugt letztlich nicht. Denn auch bei formal eingetretener Rechtskraft kann diese - wie der vorliegende Fall zeigt- unter Umständen selbst nach langer Zeit im Wege der Wiedereinsetzung durchbrochen werden. Wirkliche Rechtssicherheit ist in diesen Fällen krass rechtsstaatswidriger Entscheidungen somit auch bei Verneinung der Nichtigkeit nicht gewährleistet. Im Übrigen lässt sich nur durch die Annahme der Nichtigkeit von Urt., die auf derart krass rechtsstaatswidrigen Verständigungen wie im vorliegenden Fall beruhen, verhindern, dass ein Angekl. und mit Hilfe seines Verteidigers unter Ausnutzung eines parallelen, aber fehlgeleiteten Interesses von StA und Gericht an einer Verfahrensabkürzung auf Kosten der gebotenen Sachaufklärung zunächst ein rechtswidriges Verständigungsurteil mit entsprechender herabgesetzter Strafe möglichst unter Bewilligung von Strafaussetzung zur Bewährung anstrebt, nach dessen Rechtskraft aber mit Hilfe eines neuen Verteidigers und unter entsprechender Glaubhaftmachung, die Aufhebung des Urteils anstreben kann.
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