StGB § 46 Verfahrensverzögerung 2 Jahre Stillstand Vollstreckungslösung

BGH, Beschl. v. 18.02.2015 - 2 StR 523/14 - BeckRS 2015, 06203

Wird ein Verfahren fast zwei Jahre beim Landgericht nicht bearbeitet, weil die zuständige Schwurgerichtskammer aufgrund der hohen Belastung mit vorrangig zu behandelnden Haftsachen nicht früher verhandeln konnte, begründet dies schon mit Blick auf die lange Zeit der Untätigkeit das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung, die im Wege der Vollstreckungslösung auszugleichen ist. Dass sich der Angeklagte nicht in Haft befunden hat, rechtfertigt es nicht, eine beim Landgericht anhängige Strafsache eine solch lange Zeit unbearbeitet zu lassen. Sollte vor dem Ablauf von zwei Jahren für die zuständige Strafkammer keine Möglichkeit bestanden haben, die Sache zu verhandeln, hätte dies dem Präsidium des Landgerichts mitgeteilt werden müssen, damit dieses zur Beachtung des Beschleunigungsgebots Abhilfe schafft.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. August 2014 aufgehoben, soweit eine Kompensationsentscheidung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Schuld- und Strafausspruch weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Verfahrensvorschriften sind - wie dem Antrag des Generalbundesanwalts zutreffend zu entnehmen ist - nicht verletzt. Allerdings ist die landgerichtliche Entscheidung rechtsfehlerhaft, soweit das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung verneint (und deshalb eine Kompensation hierfür nicht ausgesprochen) worden ist. Wie sich den Urteilsgründen entnehmen lässt, ist es nach der Verweisung der Sache an das Landgericht durch das Amtsgericht Frankfurt am Main im November 2011 bis zur endgültigen Vorlage an das Landgericht im September 2012 zu einer ersten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gekommen. Dass die Akte beim Amtsgericht offenbar zeitweise in "Abraum" geraten ist, wie das Landgericht feststellt, ist ein allein in die Sphäre der Justiz fallender Umstand, der nicht zu Lasten des Angeklagten gehen darf. Darüber hinaus ist die Sache fast zwei Jahre beim Landgericht nicht bearbeitet worden, weil die zuständige Schwurgerichtskammer aufgrund der hohen Belastung mit vorrangig zu behandelnden Haftsachen nicht früher verhandeln konnte. Dies begründet - entgegen der Ansicht des Landgerichts - schon mit Blick auf die lange Zeit der Untätigkeit das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung, die im Wege der Vollstreckungslösung auszugleichen ist. Dass sich der Angeklagte nicht in Haft befunden hat, rechtfertigt es nicht, eine beim Landgericht anhängige Strafsache eine solch lange Zeit unbearbeitet zu lassen. Sollte vor dem Ablauf von zwei Jahren für die zuständige Strafkammer keine Möglichkeit bestanden haben, die Sache zu verhandeln, hätte dies dem Präsidium des Landgerichts mitgeteilt werden müssen, damit dieses zur Beachtung des Beschleunigungsgebots Abhilfe schafft. Der Senat sieht - was zur Vermeidung einer weiteren Verzögerung an sich geboten wäre - davon ab, in der Sache selbst zu entscheiden und festzusetzen, wie viele Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Denn den Urteilsgründen lässt sich insbesondere mit Blick auf die Zeit zwischen November 2011 und September 2012 nicht hinreichend zuverlässig entnehmen, in welchem Umfang es hier zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gekommen ist. 

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